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Viele Kabarettisten waren Juden
Zahlreiche Satiriker und Humoristen sind jüdischer Abstammung, zum Beispiel Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858) - er war einer der beliebtesten Satiriker des Vormärz - Karl Kraus und Kurt Tucholsky. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Man denke nur an Max Linder, Danny Kaye und Woody Allan.
Daher ist es wohl auch nicht weiter verwunderlich, dass sich in der Wiener Kleinkunstbühne, die Felix Salten 1901 unter dem Namen "Jung-Wien-Theater zum lieben Augustin" ins Leben gerufen hatte, unter den Autoren und Darstellern, wie übrigens in den anderen Cabarets zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auch, nicht wenige Juden befanden, zum Beispiel Bela Laszky, Alfred Polgar, Egon Friedell, Fritz Grünbaum und Roda Roda, der einmal den Rat gab: "Wenn Wein sich gut halten soll, muss der Keller gleichmäßig kühl sein, luftig, trocken und vor allem: gut versperrt."
1927 gründete Oscar Teller in Wien sogar ein "Jüdisch-Politisches Cabaret", das sich von Anfang an großer Beliebtheit erfreute und bis 1938, bis zum Einmarsch der Nazis in Österreich, beträchtliche Erfolge für sich verbuchen konnte. Auch im übrigen deutschsprachigen Raum gab es vor der Hitler-Zeit jüdische Kleinkunstbühnen, einige sogar mit einem jiddischen Programm, wie etwa das Berliner Kabarett "Kaftan", das am 14.Februar 1930 der jiddische Volksschauspieler und -sänger Maxim Sakaschansky und seine Frau Ruth Klinger in Berlin in der Martin-Luther-Straße 31 eröffnet hatten. In selbst verfassten satirischen Couplets nahm Sakaschansky assimilierte Juden aufs Korn. Mit seinem "Schlesischen Bahnhof" löste er Beifallsstürme aus, in dem er einen Schnorrer darstellte, der eben aus Polen am Schlesischen Bahnhof angekommen ist. Als erstes nimmt dieser von einem jüdischen Gemeindebeamten eine Unterstützung entgegen und beklagt sich über die Hochnäsigkeit der Jekkes. Kaum hat er es zu einigem Wohlstand gebracht, klopft an seiner Kurfürstendamm-Wohnung ein polnischer Schnorrer - wie fertigt er ihn ab? 'Sag ich. ich bin ein daitscher Jehude, und weise ihm die Tür.' "
Viele unterschiedliche Menschen und Gruppen besuchen das Kabarett "Kaftan", nur nicht die Mitglieder des C.V., des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens." Sie fühlen sich als Deutsche, zu ostjüdischen Menschen haben sie nicht die geringste Beziehung.
Doch gerade aus dem Alltag der osteuropäischen Juden sind etliche intelligente und hintergründige Witze überliefert: "Warum antwortet ihr Juden auf eine Frage mit einer Gegenfrage?" "Warum soll ein Jude nicht auf eine Frage mit einer Gegenfrage antworten?"
Auch außerhalb der Kabaretts gedeihen jüdischer Witz und Humor. Wir befinden uns an einer Bar in Berlin vor '33'. Ein junger und natürlich schneidiger Offizier nimmt an der Bartheke Platz und glaubt, in der Barfrau eine Jüdin zu erkennen. Er erdreistet sich, seine Bestellung mit der Anrede zu beginnen: "Sarah, geben Sie mir.." Die Antwort der Barfrau lautet: "Sie irren, mein Herr, es war Rebecca, die die Kamele tränkte."
Friedrich Holländer dichtete zu jener Zeit in Berlin: " An allem sind die Juden schuld.., ob es regnet, ob es hagelt, ob es schneit oder ob es blitzt.. an allem sind die Juden schuld."
Dass Menschen auch in schwierigen Zeiten ihren Humor nicht verloren haben, beweist folgende Begebenheit, die Ingeborg Malek-Kohler in ihrem Erinnerungsbuch "Im Windschatten des Dritten Reiches" festgehalten hat. Eines Tages. so berichtet sie, sei ihr Ehemann Enk nach Hause gekommen und habe erzählt, was er gerade erlebt habe: "Ich sitze in einem überfüllten Stadtbahnzug, neben mir ein stämmiger Arbeiter. Plötzlich steht er auf und winkt einer älteren Frau zu, die zusammengedrückt in einer Ecke steht. Erst jetzt sehe ich, dass sie einen Judenstern an der linken Brustseite hat. 'Setz' der doch, du kleene Sternschnuppe', fordert er sie auf. Ängstlich tut sie, wie ihr geheißen. Tiefe Stille im Zug. Plötzlich kommt eine Stimme aus dem Hintergrund. 'Das dürfen Sie nicht.' 'Wat denn, wat denn, ich werde doch wohl noch über meinen eigenen Arsch verfügen können.' Die letzten Worte in vollendetem Hochdeutsch."
Während des Dritten Reiches wanderten viele jüdische Künstler aus. Jene aber, die daheim geblieben waren, wurden in großer Zahl in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet. Zu diesen gehörten auch Fritz Grünbaum und Fritz Löhner-Beda.
Teller selbst setzte in Amerika mit der Kleinkunstbühne "Die Arche" seine alte Tätigkeit fort - mit Texten von Alfred Neumann, Walter Mehring, Friedrich Torberg und anderen bekannten Literaten. In London existierten zu jener Zeit sogar vier Emigranten-Cabarets.
Nach 1945 schrieb Alfred Polgar:"..die zufällig nicht umgebracht wurden, müssen ihren Frieden machen mit denen, die zufällig nicht mehr dazu gekommen sind, sie umzubringen", und Eckart Hachfeld brachte den Zwiespalt der deutschen Geschichte und Kultur auf folgenden Punkt: "Betracht' ich meinen Lebenslauf, dann geht's mir durch den Sinn: Warum bin ich nicht stolz darauf, dass ich ein Deutscher bin?..Ich habe als Kant das Gewissen gerufen, als Goethe die Humanität gelehrt,- und habe die Werte, die sie mir schufen, in einer Kristallnacht zerstört."
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