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Hat Gott Humor?

Selbst die Frage, ob Gott Humor habe und lachen könne, wird hin und wieder gestellt. Max Frisch hat sie in seinem Tagebuch für den Monotheismus verneint. Polytheistisch gesehen hätten die Götter gelacht, vor allem die Götter Griechenlands, immerhin gäbe es einen Gott Risus und ein Fest für ihn. Mancher Christ hält es der Würde Gottes für abträglich, sich ihn humorvoll vorzustellen. Nicht wenige sehen ihn als kleinlichen Buchhalter der Sünden, der dafür sorgt, dass sich jedes böse Wort rächt.

Vom Gott des Alten Testaments hören wir zwar gelegentlich ein Gelächter, doch handelt es sich auf den ersten Blick oft um ein Lachen der Verachtung für die Pläne der törichten Menschen. Diese Vorstellung von Gott als Zuschauer scheint ein adäquates Bild zu sein für die Transzendenz, für die Weltüberlegenheit Gottes, von der in der Bibel der Psalm 2 spricht. "Grimmig", so heißt es dort, "toben Völker und Nationen, Könige und Fürsten gegen den Herrn und seinen Gesalbten, aber der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer."

Überdies zeigt sich Gott in der Bibel ziemlich streng. Als Abraham und Sara, dem hochbetagten Ehepaar, die Geburt eines Sohnes angekündigt wird, lachte Sara und dachte bei sich: "Nun, da ich alt bin, soll ich noch der Liebe pflegen, und mein Herz ist auch alt." Wirklich, die Ankündigung ist nicht ohne Komik. Aber Gott zeigt keine humorvolle Nachsicht, kein Verständnis für die komische Lage Saras, er wird eher aggressiv. Sara aber hatte allen Grund zu lachen. Sie ist die erste, von der uns überliefert ist, dass sie auf die Zumutung, die das Heilige für uns bedeutet, mit Lachen reagierte. Offenbar eine natürliche, eine notwendige Art, sich vom Anspruch des Allmächtigen zu entlasten.(Psalm 2, Psalm 59, Genesis 17,15-21, 18,1-15).

Als das Kind dann auf die Welt kam, nannten Sara und Abraham es Isaak(Jizchak auf Hebräisch: "Er lachte" oder "er wird lachen"), Vielleicht liegt eine biblische Legitimation des Humors darin, dass das Lachen den Namen des zweiten der drei großen Patriarchen der jüdischen Tradition abgibt.

Da sich viele Gläubige Gott als ernsten Mann vorstellen, wurde mitunter als Ausgleich in Anekdoten das Bild des gütigen Humors den Seelsorgern angehängt. Hier einige Beispiele:

"Kommt eine junge Dame zur Beichte und flüstert:'Ich habe die Sünde der Eitelkeit begangen, weil ich immer, wenn ich in den Spiegel schaue, denke, wie schön ich bin.' Darauf antwortet der Beichtvater:'Das ist keine Sünde, mein Kind, sondern ein Irrtum.'"

"Als Pastor Berkholz in Riga eingeladen wurde, an einer Segelpartie teilzunehmen, lehnte er ab. Und als man ihn mit Bedauern nach seinen Beweggründen fragte, meinte er:"Ach, wissen Sie, so im Segelboot - da ist man doch allzusehr in Gottes Hand."

"Ein in Gedanken versunkener Geistlicher will bei Rot über die Straße gehen. Da wird er von einem Schutzmann am Ärmel wieder zurückgezogen mit der Bemerkung, ob er es denn so eilig habe, zu seinem Brötchengeber zu kommen."

Es gibt sogar einen Heiligen des Humors(FAZ v.21.7.00 "Der Clown Gottes" von Heribert Klein), Philipp Neri, genannt Pippo. Er lebte in der Zeit zwischen 1515 und 1595 und war sehr volkstümlich. Die Leute nannten ihn einen "komischen Heiligen". Das störte ihn nicht, im Gegenteil. Er ruhte in sich, selbstsicher. "Sein Herz strahlte eine so starke Hitze aus, dass man mitten im Winter die Fenster weit öffnen musste", heißt es. Sein echter Nachfahre ist Pfarrer Ernst Heller. Er wurde 1947 in der Schweiz geboren. Von Natur aus lebenslustig, sieht er seine Aufgabe darin, die "Frohe Botschaft" zu verkünden. Er ist ein echter Neri-Jünger und nennt sich "Circus-, Markt- und Schaustellerseelsorger" oder auch "Clown Gottes". Das ist in unserer Zeit etwas Ungewöhnliches, in der die Kirchen immer mehr Besucher verlieren, die Zahl der Priester in erschreckendem Maße zurückgeht und ein gebrechlicher Papst mehr das Bild einer leidenden als einer fröhlich fortschreitenden Kirche vermittelt. Dieser Clown Gottes scheint vor nichts zurückzuschrecken. Seine Stola trägt nicht Symbole der paradiesischen Endzeit, sondern Bilder aus der Clown- und Zirkuswelt. Dazu passt eine kleine Anekdote, häufig sieht er den Heiligen Vater in Rom. Einmal sagte ihm der Luzerner Pfarrherr, es gebe zu wenig Priester, doch hervorragende Laien, engagierte Frauen und Männer. Ob der Papst nicht doch das Zölibat aufheben könne? Der Papst schlug ihm vor, intensiv zu beten, damit sich die Lage ändere. Darauf antwortete Heller:"Sie, Heiliger Vater, müssen aber handeln." In diesem Zusammenhang ein Zitat von John B.Priestley. Dieser rät:" Man soll die Wahrheit heiter sagen, denn dem Clown hört man lieber zu als dem Prediger."

Aber nochmals zurück zur Frage, ob Gott Humor habe.Die Überzeugung, Gott sei humorlos, taucht zum Beispiel in Goethes Faust auf. "Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen, hätt'st du dir nicht das Lachen abgewöhnt", sagt Mephisto zum Herrn der Schöpfung. Jedoch läßt Goethe Gott auch sagen, "von allen Geistern, die verneinen, ist mir der Schalk am wenigsten verhaßt." Anders sah es dagegen Luther. Für ihn war der Satan ein Geist der Traurigkeit und Gott der Geist der Freude.

Eike Christian Hirsch macht folgende Rechnung auf. Da im allgemeinen der Humor eine erstrebens- und lobenswerte Eigenschaft sei und keiner als humorlos gelten möchte und andererseits Gott ein vollkommenes Wesen ist und die Vorstellung von einem humorlosen Gott die Idee von einem Schöpfer verkleinert, müsse Gott auch Humor haben. Auf jeden Fall, so folgert Hirsch messerscharf, verstehe Gott Spaß genug, um uns zu erlauben, ihm Humor zuzuschreiben. Ob solche theologische Spitzfindigkeit auch jene überzeugt, die Gott in ihrer Jugend in erster Linie als Richter und Rächer kennengelernt haben und ihr Leben lang unter diesem Gottesbild gelitten haben, ist allerdings fraglich. Andererseits ist am diesem verqueren Gottesbild nicht Gott schuld, sondern dafür tragen bigotte Erzieher und Geistliche die Verantwortung.

Tucholsky wiederum hielt den lieben Gott, an den er angeblich nicht glaubte, für einen Humoristen. Was Gott als gute Eigenschaft geschaffen hat, müsse er selbst im Übermaß besitzen, lautete Tucholskys spekulative Schlussfolgerung.

Auch der Schweizer Dichterpfarrer Kurt Marti hat sich mit diesem Thema beschäftigt und gemeint. Als "die gesellige Gottheit" die Erde schuf, lachte sie und sagte: "So sei es". Marti hat weiter darüber nachgegrübelt, ob Gott wie die Götter in der Antike, ein lachender Zuschauer sei. Das göttliche Lachen lasse wohl, so Marti, kollektiven oder individuellen Größenwahn leerlaufen, doch könne man schwerlich annehmen, dass Gott auch dann lache und spotte, wenn Menschen gequält werden und leiden. Ein Gott, der sich so verhält, wäre ein Teufel. Ist Gott also ein lachender Zuschauer? Der Gott Israels ist das Gegenteil eines lachenden Zuschauers. Er mischt sich ein, laut Marti, weint und lacht mit uns. Erst der Schmerz Gottes mache das Lachen Gottes erträglich und glaubhaft. Ein Lachen Gottes, dessen Hintergrund nicht Schmerz oder Solidarität ist, wäre ein böses Lachen so wie auch menschliches Lachen, in dem keine Solidarität, keine Anteilnahme mitschwingt, alles andere als fröhlich ist. (Es gibt demnach ein unterschiedliches Lachen, man lacht aus verschiedenen Gründen, Lachen und Lachen ist nicht immer dasselbe. Diesem Geheimnis, dass Fröhlichkeit dem Ernst, Lachen dem Schmerz viel näher ist als eine oberflächliche Betrachtungsweise annimmt, kam Gabriele Wohmann auf die Spur mit ihrem Satz: "Ich bin um so viel ernster geworden, dass ich mich für fähig halte, fröhlich zu sein.")

Ulrich Beer ist der Ansicht, dass der Mensch Gott sicher oft zum Lachen gereizt habe, wenn er auf ihn und seine Werke schaute. In Psalm 2,4 heißt es: "Doch er, der im Himmel thront, lacht." Er lacht, erläutert Beer, über uns, die wir uns an Kleinigkeiten klammern. Humor habe nichts mit läppischer Lustigkeit zu tun. Humor hat eine Tiefendimension, die gar nicht weit von den Abgründen des Lebens entfernt ist. Jean Paul wiederum vergleicht den Humor mit der Theologie: "Wenn der Mensch ..von der überirdischen Welt auf die irdische herunterschaut, so zieht diese klein und eitel dahin; wenn er mit der kleinen, wie der Humor tut, die unendliche ausmisst und verknüpft, so entsteht jenes Lachen, worin auch ein Schmerz und eine Größe ist."


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