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Der Computer und ich

Erfahrungen einer Rezensentin

Computer waren mir von Anfang an ein Gräuel. "Nein, nein, einen Computer will ich niemals haben. Mit so einem Monstrum kann ich gewiss nicht umgehen. Außerdem brauche ich bei meinen Schreibereien den unmittelbaren Kontakt zu Papier und Bleistift." So wehrte ich jedesmal ab, wenn die Rede auf die neuen technischen Möglichkeiten kam und mein Mann und die Söhne, hin und wieder selbst der Bruder, ein Loblied auf den Computer anstimmten und mich mit sanfter Gewalt überzeugen wollten, dass ein Computer sogar mir die Arbeit am Schreibtisch wesentlich erleichtern würde.

Meine Überzeugung geriet ins Wanken, als ich vor etwa zwei Jahren in der "Zeit" einen längeren Artikel von Dieter E.Zimmer las, in dem er anschaulich und launig von seinen ersten leid- und freudvollen Erfahrungen mit dem Computer berichtete, den er mit allem Drum und Dran für 4000 Deutsche Märklein erstanden habe und der ihm inzwischen unentbehrlich geworden sei. Sieh, einer an, dachte ich, dieser feinsinnige und etwas arrogante Feuilletonist hat sich also tatsächlich einen Computer zugelegt. Der Gedanke faszinierte mich. Dennoch stand für mich nach wie vor fest, ein Computer kommt nicht in Frage. Er würde sich bei mir gar nicht rentieren. Man denke nur runde 4000 Mark! Ist einfach zu teuer.

Ein halbes Jahr später nahm ich an einem Wochenendseminar teil und kam während einer Pause mit einer älteren Teilnehmerin ins Gespräch. Voller Begeisterung erzählte sie mir, dass sie, nachdem die Kinder flügge geworden seien, ihr Studium wieder aufgenommen habe. Gelegentlich müsse sie auch Referate schreiben. Dafür benutze sie den Computer ihres Sohnes und spare auf diese Weise viel Zeit. Ich horchte auf. Meine Neugier regte sich. Ob das nicht etwas für Jüngere sei, insbesondere für mathematisch Begabte, wollte ich wissen. Aber nein, wurde ich ausgelacht, ganz und gar nicht. "Für Sie", fügte die Dame hinzu, "wäre übrigens ein Computer genau das Richtige."

Meine Skepsis begann zu schwinden. Freilich, so ganz überzeugt war ich auch jetzt noch nicht. Als meine Familie jedoch merkte, in welche Richtung nun meine Überlegungen im Hinblick auf die Computertechnik gingen, hatte der männliche Teil plötzlich wieder Oberwasser, vor allem Matthias, der jüngste Sohn, der gerade an einem Computer-Lehrgang teilnahm und nicht abließ, mir tagtäglich vor Augen zu führen, wie viele seiner Freunde seit langem stolze Besitzer eines Computers seien und welche Wunderdinge so ein Elektrogehirn zuwege brächte. Ich überlegte hin und und überlegte her. Sollte ich vielleicht doch einen Computer kaufen? Vielleicht erst einmal für den Filius? Der Zufall kam meinem Sohn zu Hilfe. Ich entdeckte nämlich, dass ich in dem zu Ende gehenden Jahr mehr als üblich eingenommen und bisher wenig ausgegeben hatte. Wollte ich dem Finanzamt nicht allzu hohen Tribut entrichten, mussten die Ausgaben schleunigst erhöht werden. Der Jahreswechsel rückte immer näher, die Zeit drängte, und als mein Sohn quasi zwischen Tür und Angel die Frage stellte: "Hast du dich denn nun endlich entschieden?" und ich nicht mehr mit "nein" oder "vielleicht" antwortete, wurden Prospekte gewälzt und von da an hieß die Devise lediglich: Welcher soll es sein? Commodore, Schneider, Atari, Apple oder welcher sonst?

Und dann ging alles ganz schnell, von heute auf morgen kam ein Computer ins Haus samt Bildschirm, wenig später eine Schreibmaschine, die als Drucker fungieren sollte und ein zusätzliches Laufwerk, "Floppy" genannt. Der Computer war noch nicht ganz ausgepackt, da stand unser Jüngster mit ihm schon auf du und du, und die ganze Familie, einschließlich unserer Gäste aus Australien, stand staunend um ihn herum, als der Filius dem Computer allerlei merkwürdige Töne entlockte, wahrhaft ein Wunderwerk der Technik, für mich vorerst ein Buch mit sieben Siegeln.

Dass es nicht dabei blieb, verdanke ich Matthias. Geduldig hat er mich, Schritt für Schritt, in "Wordstar", in das Textverarbeitungsprogramm, eingeführt. Stundenlang saß er abends neben mir vor dem Computer, zeigte mir die einzelnen Tricks und Handgriffe und wurde nicht müde, zu erklären und mich zu verbessern. Das geschah zunächst recht häufig. Denn im Grunde habe ich wohl alles falsch gemacht, was man nur irgendwie falsch machen kann. Fehler unterliefen mir, die die Erfinder und Hersteller von Computern gewiss nicht einmal im Traum für möglich gehalten hätten. Dann ging es gemeinsam an den ersten größeren Text, einen längeren Bücherbericht, den ich nach alter, bewährter Methode zusammengestellt hatte, und der nun in den Computer eingegeben und gedruckt werden sollte. Zwischen meinem Sohn und mir entwickelte sich dabei regelrecht eine Gemeinschaftsarbeit, bei der wir uns nicht ausschließlich über die Bedienung des Computers, sondern auch über Zeichensetzungen, Grammatik und die in dem Bericht vorkommenden Thesen einzelner Autoren unterhielten.

Als ich schließlich glaubte - etwas verfrüht, wie sich alsbald herausstellen sollte - genügend Kniffe zu kennen, um mit dem Computer allein fertig zu werden, setzte ich mich eines Morgens mit leichtem Herzklopfen, doch wohlgemut, ohne die Aufsicht meines Sohnes, an das Gerät. Der Erfolg: nach wenigen Minuten streikte das Ding, ging nicht vor und nicht zurück, und meine Stimmung sank schon auf den Nullpunkt. So schnell jedoch ließ ich mich nicht entmutigen, ich nahm die Diskette heraus, schaltete den Computer ab, dann wieder an, steckte die Diskette erneut in das Laufwerk, begann mit dem Programm, aber kaum war ich an der bewussten Stelle angekommen, gingen wieder die Lichter aus, ich probierte hin und her, nichts half. Ich mochte es drehen und wenden, wie ich wollte, ich war am Ende mit meinem Computer-Latein. Nie habe ich auf Matthias' Rückkehr aus der Schule wohl so sehnsüchtig gewartet wie just an jenem Tag. So erging es mir noch manches Mal. Wie oft war ich in Nöten, nur gut, dass der junge Computer-Fachmann meistens mit ein paar Handgriffen alles wieder in Ordnung bringen konnte. Kein Wunder, dass ich mit Bangen dem Tag entgegensah, an dem Matthias mit seiner Klasse zu einem zweiwöchigen Skiurlaub aufbrechen wollte. Ob ich dann schon so weit war, allein auf mich gestellt, den Kampf mit dem Computer aufzunehmen? Mein Sohn versorgte mich vor seiner Abreise noch mit allerlei Instruktionen und guten Ratschlägen, die ich mir sicherheitshalber notierte, und wahrhaftig von jenem Zeitpunkt an hat mich der Computer nie mehr gänzlich im Stich gelassen. Allmählich bin ich sicherer geworden im Umgang mit ihm, und mittlerweile haben wir uns recht gut angefreundet, der Computer und ich, ja, ehrlich, ich mag ihn gar nicht mehr missen.

Matthias behauptete neulich sogar gegenüber Schulfreunden, seine Mutter sitze jetzt viel öfter am Computer als er. Fehler kommen natürlich auch heute noch vor, beispielsweise vergesse ich im Eifer des Gefechts, oder ,weniger kriegerisch ausgedrückt, beim Korrigieren und Umstellen einzelner Satzteile, den eingegebenen Text vor dem Druck abzuspeichern, was vor allem dann besonders ärgerlich ist, wenn ich aus dem Stegreif, sozusagen ohne doppelten Boden, das heißt, ohne Notizen auf dem Block, korrigiert habe. Einmal habe ich, ohne zuvor die Diskette herauszunehmen, den Computer abgeschaltet - obgleich Matthias mich gerade vor diesem Computer-Sündenfall eindringlich gewarnt hatte - , so dass wieder einmal alles für die Katz war. Na ja, gegen eigene Schusseligkeit bin ich natürlich nie gefeit. Ein anderes Mal fielen, als die Waschmaschine repariert werden sollte, sämtliche Sicherungen aus. Wo vorher auf dem Bildschirm ein mit viel Mühe formulierter Text stand, starrte mir nur noch ein schwarzes Loch entgegen.

Selbständig Programme schreiben kann ich allerdings nicht, aber Texte verarbeiten und auf die gewünschte Länge bringen, wenn es sein muss, sogar auf 60 Anschläge mal 12 Zeilen, und das alles mit weniger Aufwand als ehedem in der computerlosen, der "schrecklichen" Zeit,

Viel lästige Arbeit nimmt er mir ab, der Computer, hilft mir, Fehler auszumerzen und Wiederholungen zu vermeiden, so dass ich mich mehr auf die Gestaltung der Texte konzentrieren kann. Wie oft habe ich früher wieder und wieder meine Manuskripte abgetippt, weil sich mir nichts, dir nichts ständig neue dumme Fehler einschlichen , und wer schickt schon gern Manuskripte ab mit mehr als zwei bis drei Korrekturen?

Vor einigen Tagen habe ich begonnen, meine über das ganze Haus verstreuten Bücher mit Hilfe des Computers zu registrieren, um nicht länger mehr Bände, die im Keller verstaut sind, auf dem Boden suchen zu müssen und umgekehrt. Auf ungeahnte Schätze bin ich dabei gestoßen und habe manch freudiges Wiedersehen gefeiert mit längst vergessenen oder verschollen geglaubtem Lesestoff.

Folglich kann selbst für Rezensenten der Computer unentbehrlich werden - so unentbehrlich wie ein schönes Spielzeug.

Der Artikel erschien in "Medien/Lektoratsdienste/BA (Besprechungen, Annotationen) 1/1987", herausgegeben vom Besprechungsdienst Reutlingen. Die damalige Rechtschreibung habe ich der heutigen angepasst.

Natürlich ist auch im Computerwesen inzwischen manches einfacher geworden, und ich arbeite heute natürlich längst nicht mehr mit Disketten, sondern mit einem moderneren Rechner, der hoffentlich noch lange genügend Speicherplatz bietet, obwohl mein Sohn behauptet, es würde Zeit, mir einen neueren Computer anzuschaffen.


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