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Nachwort (Geständnis)

Literaturkritiker und Literaturwissenschaftler haben Döblin längst für sich schon längst entdeckt und engagieren sich für ihn und sein Werk und schreiben Dissertationen und andere Studien. Auch viele Dichter haben längst erkannt, was sie Döblin verdanken, allen voran Günter Grass.

Ob Döblin für die junge heranwachsende Schülergeneration in Frage kommt und etwas taugt, entzieht sich meiner Kenntnis, dafür weiß ich zu wenig von der ganz jungen Generation.

Aber für Leser, die das Leben gezaust und zersaust hat, die mit mancherlei Anfechtungen und Brüchen haben leben müssen oder es noch tun und die genügend Geduld und Nachsicht aufbringen und mehr verlangen als die "Bügelfaltenprosa" eines Thomas Mann, ist Döblin genau der Richtige, aber nicht für Menschen, die ohne Brüche, ohne Scheitern ihr Lebensziel verfolgen konnten, die ihre Selbstfindung und ihre Selbstverwirklichung nahtlos erreicht haben ohne Umwege, und er ist auch keine Lektüre für Schulmeister, die mit festgefügten Maßstäben an Bücher herangehen. Ich habe in der Vergangenheit zur Genüge erfahren müssen, wie groß der Unterschied zwischen Literaturkritik und dem oft beckmesserischen Urteil von Deutschlehrern ist. Für die ist mir der Schriftsteller einfach zu schade. Döblin verlangt Geduld, Nachsicht, Fantasie und Einfühlungsvermögen.

Mich persönlich hat er reich beschenkt, ähnlich wie im letzten Jahr (2006) Heinrich Heine, zwischen beiden besteht übrigens in mancherlei eine gewisse Ähnlichkeit. (Auch das wäre ein Thema für eine Doktorarbeit.)

Mir haben beide neue Türen geöffnet, sowohl mit ihrer Dichtung wie auch mit ihrem Leben. Von Hugo von Hoffmannsthal stammt der Ausspruch (ich zitiere aus dem Gedächtnis): jeder nimmt ein Geheimnis mit ins Grab, wie er persönlich mit dem Leben, das nun wirklich kein Kasperlespiel ist, fertig geworden ist. Das heißt aber nicht, das ich persönlich für mich Heines Hinwendung zu seinem Gott der Väter und Döblins Hinwendung zum katholischen Christentum akzeptiere, so sehr ich es auch gedanklich und vielleicht auch gefühlsmäßig nachvollziehen kann und bewundere.

Ich werde wahrscheinlich mit offenen Fragen und ungelösten Rätseln sterben, auch wenn ich mich immer wieder gerne damit beschäftige.


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