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Glaube-Gefühle-Gott

Goethe ging sogar so weit zu sagen, "beim Glauben ..komme alles darauf an, dass man glaube; was man glaube, sei völlig gleichgültig." Der Glaube sei ein großes Gefühl von Sicherheit und Zukunft, und diese Sicherheit entspringe aus dem Zutrauen auf ein übergroßes, übermächtiges und unerforschliches Wesen.

"Der Glaube ist nicht der Anfang, sondern das Ende allen Wissens", befand Goethe, doch war er alles andere als ein Rationalist, in dessen Denkgebäude Gott allenfalls als gedanklicher Schlussstein, als Inhaber der allerhöchsten Vernunft einen Platz gehabt hätte. Gott war für ihn dagegen lebendige Urkraft, vor dessen unerforschlicher Majestät er eine ringenden, auch nach Worten ringende ehrfürchtige Sehnsucht fühlte.

Doch er gestand auch:

"Wenn ich kennte den Weg des Herrn, /

Ich ging ihn wahrhaftig gar zu gern; /

Führte man mich in der Wahrheit Haus, /

Bei Gott! Ich ging nicht wieder hinaus."

Das Wort "Gott" findet sich bei Goethe verhältnismäßig selten. Lieber gebrauchte er Umschreibungen wie "das Unendliche", "das Ungeheure", "das ewig Wirkende", "der Weltgeist", "die Weltseele", "das unbekannte höhere Wesen", "die waltenden Mächte", "das Ewig-Eine" in schier grenzenloser Mannigfaltigkeit.

In einem Gespräch mit Eckermann am 31.Dezember 1823 beklagte er: "Die Leute traktieren den göttlichen Namen, als wäre das unbegreifliche, gar nicht auszudenkende höchste Wesen nicht viel mehr als ihresgleichen. Sie würden sonst nicht sagen. der Herr Gott, der liebe Gott, der gute Gott. Er wird ihnen, besonders den Geistlichen, die ihn täglich im Munde führen, zu einer Phrase, zu einem bloßen Namen, wobei sie gar nichts denken. Wären sie aber durchdrungen von seiner Größe, sie würden verstummen und ihn vor Verehrung nicht nennen mögen."

Goethe wusste auch, dass Menschen sich Gott nach ihren eigenen Vorstellungen formen und meinte daher: "Wie einer ist, so ist sein Gott/Darum ward Gott so oft zum Spott" und gegenüber Schiller betonte Goethe am 31.7.1799, "..dass sich jeder seine eigene Art von Gott macht und dass man niemand den seinigen weder nehmen kann noch soll."

"Ich glaube einen Gott, ist ein schönes löbliches Wort, aber Gott anerkennen, wie und wo er sich offenbart, das ist eigentlich die Seligkeit auf Erden", hat Goethe 1829 aphoristisch resümiert. Das Göttliche zu enthüllen, wo es sich auch verberge, war sein Anliegen. Zugleich war er bemüht, das, was er wirklich glaubte, zu verhüllen oder in ein poetisches Bild zu fassen.

Der Gegenstand seiner Verehrung bleibt nicht immer anonym und von unbestimmter Allumfassendheit. Schon in "Dichtung und Wahrheit" schrieb er:"Mir aber möge man erlauben, dass ich den verehre, der in dem Reichtum seiner Schöpfung so groß war, nach tausendfältigen Pflanzen noch eine zu machen, worin alle übrigen enthalten, und nach tausendfältigen Tieren ein Wesen, das sie alle enthält: den Menschen."

Der Hauptimpuls geht auch diesmal von dem ebenfalls vom Neuplatonismus inspirierten Philosophen Spinoza aus. Gott dürfe, so Goethe, nicht ins Jenseits und Abseits verbannt werden, er gehöre ins Diesseits. Zudem ist Gott für Goethe kein Kleingeist, sondern der Weltgeist, der alle Grenzen sprengt, er ist das Ein und Alles des Menschen, eine Kraft, die ihn vorantreibt. Goethe sieht, wie schon mehrfach angedeutet, mithin Gott nur in der Welt. Zum transzendenten Gott hat er sich nie erhoben. Goethes Religiosität kannte keinen transmundanen Gott, sie war diesseitig orientiert, humanistisch und ethisch geprägt.

"Wer darf ihn nennen?

Und wer bekennen:

Ich glaub' ihn."

"Welche Religion ich bekenne? Keine von allen,

Die du mir nennst!Und warum keine? Aus Religion."

Für Goethe kennzeichnen Leben, Bewegung und Tat Gott. Und so lässt er Faust den Anfang des Johannesevangeliums mit den Worten übersetzen: "Im Anfang war die Tat." Gegen das Christentum der Gesinnung setzte er ein Christentum der Tat.

"Auch werden wir alle nach und nach aus einem Christentum des Wortes und Glaubens immer mehr zu einem Christentum der Gesinnung und Tat kommen", sagte er zu Eckermann am 11.März 1832 in einem ausführlichen Gespräch über Urreligion und Christentum.

"Wenn man die Leute reden hört", so Goethe, "so sollte man fast glauben, sie seien der Meinung, Gott habe sich seit jener alten Zeit ganz in die Stille zurückgezogen, und der Mensch wäre jetzt ganz auf eigene Füße gestellt und müsse sehen, wie er ohne Gott und sein tägliches unsichtbares Anhauchen auskomme. In religiösen und moralischen Dingen gibt man noch allenfalls eine göttliche Einwirkung zu, allein in Dingen der Wissenschaft und Künste glaubt man, es sei lauter Irdisches und nichts weiter als ein Produkt rein menschlicher Kräfte." Goethe war stattdessen der Ansicht, dass sich Gott "nach den bekannten imaginierten sechs Schöpfungstagen keineswegs zur Ruhe begeben habe, "vielmehr ist er noch fortwährend wirksam wie am ersten."


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