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Heinrich Heines "Religionsgespräche" sind aktueller denn je
Heinrich Heine und die Religion
ein eigenwilliger Theologe
Heinrich Heine war nicht nur ein genialer Lyriker, Prosaist, Journalist und politischer Kommentator, er war auch ein eigenwilliger Theologe, der vor waghalsigen Ausdeutungen biblischer Aussagen nicht zurückschreckte. Pinchas Lapide nannte ihn einen frommen Ketzer. "Jüdisch beschnitten,, evangelisch getauft, katholisch getraut, sei er ein "unsteter Grenzgänger zwischen den Welten gewesen."
Zeitweise war er Atheist, gehörte aber, nach eigenem Bekunden, nicht zu den "Atheisten, die da verneinen, ich bejahe." (Vorrede zu "Die romantische Schule 2.4.1833) Dann wieder entpuppte er sich als zorniger Anti-Theist, der mit beißendem Spott und scharf geschliffenem Wort gegen jene Theologen zu Felde zog, die "Hundedemut" und "Engelsgeduld" predigten. Gleichwohl war er zeitlebens davon überzeugt, dass eine religiöse Begründung aller Lebens- und Kunstbereiche notwendig sei.
Die Ausbildung seiner religiösen und dann auch theologischen Interessen verdankte er nicht zuletzt seinem Philosophielehrer, dem Rektor des Düsseldorfer Lyzeums, Ägidius Jacob Schallmayer.
Das Nachdenken über die Natur Gottes hat ihn von Kindesbeinen an nicht losgelassen. Zunächst hatte seine Religiosität etwas unbeschwert Kindliches an sich. Eine natürliche Mystik war ihm zu eigen. Für ihn waren Gott und Welt eine Einheit. Auch entsprach, seiner Meinung nach, die Ordnung Gottes den menschlichen Bedürfnissen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
"Weder die Böswilligkeit meiner Feinde, noch die pfiffige Torheit meiner Freunde, soll mich davon abhalten über die wichtigste Frage der Menschheit über das Wesen Gottes, unumwunden und offen, mein Bekenntnis auszusprechen" heißt es im Vorbericht zur "Romantischen Schule" vom 2.4.1833, den der Dichter mit dem Satz "Anfang und Ende aller Dinge ist in Gott" beschließt.
In den ersten Pariser Jahren verstand sich der Dichter, wie er an Heinrich Laube am 23.11.1835 schrieb, "als geborener Antagonist des jüdisch-mohametanisch-kristlichen Deismus."
In jungen Jahren kommt er zu dem vorläufigen Ergebnis: "In dunklen Zeiten wurden die Völker durch die Religion geleitet, wie in stockfinstrer Nacht ein Blinder unser bester Wegweiser" ist. Er kenne dann Wege und Stege besser als ein Sehender. Es sei aber töricht, "sobald es Tag ist, noch immer die alten Blinden als Wegweiser zu gebrauchen." Unsere Enkel würden sicher "ein Ammenmärchen zu vernehmen meinen, wenn man ihnen erzählt, was wir geglaubt und gelitten! Und sie werden uns sehr bemitleiden! Wenn sie einst, eine freudige Götterversammlung, in ihren Tempeln sitzen, um den Altar, den sie sich selbst geweiht haben, und sich von alten Menschheitsgeschichten unterhalten, die schönen Enkel, dann erzählt vielleicht einer der Greise, dass es ein Zeitalter gab, in welchem ein Toter als Gott angebetet und durch ein schauerliches Leichmahl gefeiert ward, wo man sich einbildete, das Brot, das man esse, sei sein Fleisch, und der Wein, den man trinke, sei sein Blut."
In dieser Zeit neigte Heine der Ansicht zu, dass Christentum und Religion an ihr Ende angekommen seien. Durch Fortschritt und Aufklärung seien sie überflüssig geworden.
Mit der ihm eigenen Mischung aus Ironie, Respekt und Betroffenheit schreibt er in seiner Abhandlung über "Religion und Geschichte in Deutschland: "Ein eigentümliches Grauen erlaubt uns heute nicht, weiterzuschreiben. Unsere Brust ist voll von entsetzlichem Mitleid es ist der alte Jehova selber, der sich zum Tode bereitet. Wir haben ihn so gut gekannt.. Kniet nieder man bringt die Sakramente einem sterbenden Gotte."
Heines Theologie, merkt Schlingensiepen (S.11) an, ist "weithin eine Antitheologie..der Text weist voraus auf Nietzsche, der ein eifriger Heineleser gewesen ist. Heine selber fußt hier auf Hegel. Er sagt von sich, er habe lediglich 'das Geheimnis der Schule' ausgeplaudert, dass Gott tot sei und der Mensch sein Leben selbst in die Hand nehmen müsse....Heine hat sich als 'Apostel' einer neuen Religion verstanden. Er hat polemische Texte von optimistischem Überschwang verfasst."
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