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Wie zeitgemäß ist Klepper?

Klepper hat, wie aus den Ausführungen hervorgeht, immer wieder die Ohnmacht des Menschen betont und ganz auf die Fügung und Führung Gottes vertraut.

"Der Ertrag des Lebens besteht im Glauben, nicht in der Leistung". Er gesteht: "Ich habe mich immer am Verantwortungsgefühl gerieben, weil es mir als ein gefährlicher Einbruch der Ethik in den Glauben erschien. Verantwortungsgefühl ist aber nur der Zwang, eine Antwort geben zu müssen auf die Anrede Gottes."

Klepper hat offensichtlich vom Freiheitsvermögen des Menschen nicht viel gehalten. Er traute dem Menschen nicht die Fähigkeit zu, in Freiheit die richtige Entscheidung zu treffen. Er hat ihm nur die Möglichkeit zugestanden, zu sündigen, oder war es mehr der Zwang zur Sünde, dann könnte auch in diesem Falle von Freiheit kaum die Rede sein, sondern dann wäre das Handeln zum Sündigen naturgegeben oder hat auch hier Gott seine Hand im Spiel? In beiden Fällen wäre der Mensch ein ganz und gar unfreies Wesen. Aber lassen wir das.

Uns, den Zeitgenossen des 21.Jahrhunderts fällt es jedenfalls schwer, Kleppers Freiheitsverständnis und auch Gottesverständnis vorbehaltlos zu teilen. Aber die Beschäftigung mit ihm und seinem Glauben macht nachdenklich. Sie zwingt zur Bescheidenheit und zur Einsicht, dass wir vieles doch wohl nicht in der Hand haben und dass wir über so viele Dinge nicht verfügen, wie wir mitunter glauben.

Doch sollte nicht übersehen werden, dass Kleppers christliches Bekenntnis vielen Menschen in den Jahren der Unmenschlichkeit Trost gegeben hat und vielleicht vermittelt er auch heute noch, sechzig Jahre nach seinem Tod, dem ein oder anderen Trost und Halt in unserer kirchenfernen Zeit, in der Religion und religiöse Strömungen oft recht beliebig geworden sind.----

So weit mein Referat. Auf die Rezeptionsgeschichte des "Vater" bin ich zwischendurch nur stichwortartig eingegangen. Aber da ich den folgenden Absatz zwar nicht vorgetragen, aber auf dem Computer auch nicht gelöscht habe, lasse ich ihn im vollen Wortlaut stehen.

Wie kam das Buch an im Jahr 1937 und danach?

Vor der Publikation muss die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer beantragt werden; erstaunlicherweise gelingt dies und das Wunder geschieht: Kleppers Verlag, die Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart, ist vom Werk so angetan, dass sie das 1000-Seiten-Buch akzeptiert.

Am 4.Mai 1937 weilt Eggebrecht bei den Kleppers, "er weiß aus dem Buch alles von mir, der Dichtung und dem Glauben. Meinte, es sei ein Buch der Kanzel, eine Zusammenfassung des evangelischen Glaubens als deutsche Dichtung."

Am 19.Mai 1937 stellt Klepper verwundert fest:"Was die Kritiken angeht, so ist es, als ob das Goebbelsche Verbot nicht bestünde. Weithin gehen die Besprechungen vom 'Vater' über das übliche Maß von Rezensionen hinaus und sind Aufsätze zum Teil sogar mit Bildern des Königs.-"

Die erste private Bestellung, die bei der DVA eingegangen ist, stammt von der Gattin des ehemaligen Kaisers.

Die ersten Reaktionen auf den Roman sind durchaus günstig. Vorgestellt wurde das Buch in verschiedenen Tageszeitungen,

Eine besondere Freude war für Klepper die Anteilnahme von Theologen und Pfarrern an seinem Werk.

Aus Merseburg berichtet der Buchhändler und einstige Glogauer Schulkamerad Helmut Schöpke, ein Kollege habe ein paarmal telefonische Bestellungen des "Vater" für Innenminister Frick aufgenommen, dieser soll den "Vater" oft verschenkt haben und ein begeisterter Leser des "Vater"-Romans gewesen sein. "Ich komme noch immer nicht aus dem Staunen heraus, dass so viel Biblisches und Monarchistisches von einem Minister Frick, Staatskommissar Hinkel, Beumelburg derart wohlwollend hingenommen wird", schreibt Klepper am 20.6.1937 an seine Freunde Juliane und Kurt Meschke. (M.82)

Doch erwähnt er gleichzeitig eine Notiz im "Buchhändler im Dritten Reich" vom Mai 1937 mit ablehnender Wertung. Diese Notiz klärt die Buchhändler über die privaten Verhältnisse des "ausgeschlossenen Schriftstellers Jochen Klepper" auf, "der unmittelbar vor dem Umbruch eine Jüdin mit gleich dreiköpfigem volljüdischen Anhang heiratete und die Unverfrorenheit besaß, unter diesem jüdischen Schutz einen Roman über den Vater Friedrichs des Großen zu schreiben."

Hierzu Klepper selbst am 2.6.1937: "Für manche gewisse Buchhändler könnte dieser Umstand vielleicht einen pikanten Reiz haben, das Buch noch auszustellen. Für die anderen teile man dies mit, um sie vor Schaden zu bewahren."

Mit einigen Ausnahmen wie Westermanns Monatshefte, die sich aus "nationaler Disziplin" weigern, etwas über den "Vater" zu bringen, scheint diese Notiz wenig Beachtung gefunden zu haben.

Doch gab es neben den internen negativen Äußerungen parteipolitischer Behörden über Klepper auch direkte Angriffe von seiten der NS-Parteipresse, wie zum Beispiel in der von Will Vesper(1882-1962) herausgegebenen Zeitschrift "Die Neue Literatur", in der Klepper mehrfach öffentlich angegriffen wurde. (W.122) Im März 1940 wurde hier eine sehr negative Besprechung von Kleppers "Kyrie" veröffentlicht. Im Juni erscheint in der gleichen Zeitschrift "Anmerkungen zum historischen Roman" von Gerhart Schmidt, der in Form von drei Briefen den "Vater"- drei Jahre nach seinem Erscheinen - ungewöhnlich schlecht beurteilt. (Ri.54) Diese Angriffe lassen erkennen, dass nach dem Verständnis des NS Kleppers Werk zu der Kategorie der "nicht erwünschten" Literatur gehörte. Aber das alles änderte nichts an dem Erfolg, der Kleppers Buch widerfuhr.

Ein einfacher Soldat meldet sich als begeisterter Leser. Der Schriftsteller Werner Beumelburg, der als Jagdgast in der Schorfheide eingeladen ist, nimmt das Buch als Geschenk für Göring mit. Das Reichskriegsministerium empfiehlt die Lektüre des "Vater" für Heer, Marine und Luftwaffe.

Den Weg, den der Roman nimmt, beleuchtet die paradoxe Situation, in der Klepper lebt. Bei seinem Erscheinen 1937 wird er zum Verkaufserfolg, das Reichskriegsministerium empfiehlt ihn zur Lektüre im Heer. Das Buch wird schon bald von der Wehrmacht für das Offizierskorps geordert; hohe Minister erhielten es zum Geschenk und nehmen es gerne an. Man spricht von Göring, Blomberg und Fritsch. Hitler verschenkt das Buch. Doch im selben Jahr ereilt den Schriftsteller der Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer, was einem Berufsverbot gleichkam. Die bedrohliche Situation wurde dank einer unglaublichen Solidarität vieler einflussreicher Freunde und Leser behoben; die Kammer erteilte im Herbst 1937 eine "jederzeit widerrufbare" Ausnahmegenehmigung. Der Vorgang signalisierte aber einmal mehr die bedrohliche Lage. Sogar Hans F.K.Günther, der Verfasser der "Rasenkunde" schreibt überaus freundlich gerade in dem Augenblick, da die Presse neue Bestimmungen über den Umgang der Beamten mit Juden veröffentlicht. Es ist anzunehmen, dass all diese günstigen Reaktionen, insbesondere der leitenden Instanzen des Drittes Reiches zur vorläufigen Zurücknahme von Kleppers Schreibverbot beigetragen haben.

Nachsatz:1938 hatte Klepper durch den Verkauf seiner Bücher, durch Filmoptionen und Treatmenthonorare und nicht zuletzt durch den "Vater-Roman" Einnahmen von 17.000 Mark. Er musste allerdings eine Zwangsabgabe von 9.600 Mark als "Sühneleistung" für das Novemberverbrechen" in vier Raten aufbringen.

Der Erfolg des Vater-Buches hielt an. Von seinem Erscheinen 1937 bis zu Kleppers Tod hatte das Buch eine Auflage von 65 Tausend erreicht, 100.000 bis Kriegsende.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf einzelne Seiten im "Vater-Roman" (dtv.Taschenbuch), wenn ein Datum angegeben ist, beziehe ich mich auf das Tagebuch "Unter dem Schatten deiner Flügel", wenn ein "W" vor der Zahl steht, beziehe ich mich auf Martin Wecht: Ein christlicher Schriftsteller im jüdischen Schicksal, Archiv der Ev.Kirche im Rheinland, Düsseldorf und Görlitz 1998.

Ich zitiere aber auch aus anderen Büchern (Ihlenfeld, Baumann, Meschke, Thalmann), genaue bibliographischen Daten enthält der Anhang des ersten Beitrages über "Leben und Werk von Jochen Klepper auf dieser Homepage.


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