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Nach 1945
Vierzehn jüdische Bürger überlebten in Rostock die Schreckensjahre der Verfolgung. Zwei jüdische Frauen kamen aus Theresienstadt zurück. In Stralsund fanden sich ebenfalls nur zwei Juden ein, die den nationalsozialistischen Völkermord überlebt hatten. Am 2.September 1947 versammelten sich hier zweiundzwanzig Juden, um mit Zustimmung des Vizepräsidenten der neuen "antifaschistisch-demokratischen" Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, Gottfried Grünberg, eine jüdische Gemeinde für die Kreise Stralsund, Rügen, Usedom, Grimmen, Demmin, Greifswald und Anklam zu gründen. In Schwerin bildeten Holocaust-Überlebende zusammen mit aus der Emigration zurückgekehrten Juden Anfang 1947 die "Jüdische Landesgemeinde Mecklenburg" und richteten in der ehemaligen Israelitischen Schule einen kleinen Betsaal ein. Zudem erhielt die Gemeinde von der Sowjetischen Militäradministration Mecklenburgs zahlreiche, von den Nazis geraubte Grundstücke, darunter viele Friedhöfe, zurück. Weitere Gemeinden entstanden in Mecklenburg zunächst nicht, weder in Rostock noch in Wismar oder anderswo.
Allerdings nahm in Schwerin die Zahl der Gemeindemitglieder rasch ab. 1960 hatte die Gemeinde nur noch dreißig Mitglieder. Auch der in Pommern gegründeten jüdischen Gemeinde war keine lange Lebensdauer beschieden. In Schwerin existierte freilich noch bis 1962 ein regelmäßiges jüdisches Leben, das dann durch Umzüge etlicher Mitglieder nach Berlin oder Westdeutschland mehr und mehr zum Erliegen kam. 1973 fand der vorläufig letzte Gottesdienst statt. Lediglich eine Lehrerin, die selbst keine Jüdin war, kümmerte sich noch um die Pflegeverträge für die jüdischen Friedhöfe.
Jüdische Beisetzungen gab es nach dem Ende der Nazi-Herrschaft allein in Schwerin und in Rostock. Lange Zeit fand man nur auf diesen beiden Friedhöfen auf einigen Grabsteinen Hinweise, die an die Nazi-Opfer einzelner Familien erinnerten. Ausgerechnet die See-und Handelsstadt Rostock, die sich durch fünf Jahrhunderte hindurch dem Zuzug von Juden starrköpfig widersetzt hatte, besitzt heute den größten jüdischen Friedhof in Mecklenburg-Vorpommern.
Insgesamt 34 jüdische Begräbnisstätten hat Mecklenburg noch aufzuweisen. Halbwegs gut erhaltene stillgelegte jüdische Friedhöfe gibt es in Grabow, Teterow, Krakow, Penzlin und Ludwigslust. Einige Friedhöfe und Synagogen stehen unter Denkmalschutz oder sind inzwischen zu Gedenkstätten umgestaltet worden. Anderen droht der Verfall. Viele sind überwuchert, verschüttet oder ganz vergessen. In mehreren Städten sind die Friedhöfe vollständig verschwunden. Oft wissen nicht einmal mehr die Ortsansässigen, dass ihre Stadt einen Judenfriedhof besaß. Im Plau benachbarten Lübz liegen Juden, die hier gelebt haben, auf dem örtlichen Friedhof begraben. Aber keine Tafel erwähnt ihre Geschichte. In manchen Städten wurden jüdische Grabsteine anderweitig verwendet. In der Marienkirche von Parchim beispielsweise ist in der Grundmauer ein jüdischer Grabstein eingemauert worden. Auch in Rehna dienten Steine vom jüdischen Friedhof als Treppenstufen und Schwellsteine, allerdings nicht in einer Kirche, sondern vor einer Gastwirtschaft am Markt. In Plau wird die ehemalige Synagoge jetzt als katholische Kirche benutzt. Der frühere jüdische Friedhof ist heute Gedenkstätte. Jedoch wurde die Beschriftung eines Grabsteins am jüdischen Friedhof herausgemeißelt und zur Erinnerung an die Opfer des Faschismus umgewidmet. Derartig "sonderbehandelt" steht er nun, knapp hundert Meter entfernt von seinem ursprünglichen Standort, in einem Park. Im Zentrum von Güstrow klafft dagegen am Ort der zerstörten Synagoge eine große Baulücke, dicht neben dem heute baufälligen Haus des Rabbiners und dem jüdischen Schulgebäude. Hier fehlt ebenfalls jeder Hinweis auf die einst bedeutende jüdische Gemeinde der Stadt. In der Kleinstadt Krakow am See im Landkreis Güstrow erinnern heute nur noch ein Friedhof - er ist Eigentum des Zentralrats der Juden in Deutschland - und eine ehemalige Synagoge an die frühere jüdische Gemeinde. Von den vierzehn ehemaligen Synagogen und Bethäusern in Mecklenburg-Vorpommern ist lediglich in Krakow am See die Alte Synagoge fast vollständig erhalten geblieben. Sie war 1920 an die Stadt als Turnhalle verkauft worden und wurde 1995 zu einem Kultur- und Begegnungszentrum umgestaltet. Gedenkstätten und Mahnmale, die an die Verbrechen der Hitler-Zeit erinnern, findet man in Bützow (hier war das Zuchthaus Bützow-Dreibergen) und in Wöbbelin (hier endete der "Todesmarsch" der Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen).
Unbekümmert feierte indessen schon am 2.9.1946 der "Judenmissionsverein für Mecklenburg-Schwerin" seine Auferstehung, um Juden das Christentum wie eh und je aufzudrängen, gerade so, als sei nichts geschehen. 1966 wurde der Verein umgetauft in "Arbeitsgemeinschaft Kirche und Judentum".
Seit Anfang der 90er Jahre hat Mecklenburg/Vorpommern wieder zwei jüdische Gemeinden in Rostock und in Schwerin. Ihre Mitglieder - die Zahl beläuft sich gegenwärtig auf fünfhundert - stammen alle aus der ehemaligen Sowjetunion, mit Ausnahme eines Juden, der von Frankfurt am Main nach Rostock umgezogen ist. Erste Hilfestellung beim Aufbau der Gemeinde leistete in Rostock eine Außenstelle der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), die dort ein Büro einrichtete. Behilflich war und ist auch der in Schwerin ins Leben gerufene "Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern". Er organisiert erste Kontakte zwischen Emigranten und Einwohnern, hilft bei Behördengängen und Sprachproblemen, bei der Beschaffung von Wohnraum, Kleidung, Hausrat und bei der Integration der Neuankömmlinge. Er kümmert sich um Verbindungen zu den verschiedenen Institutionen und bemüht sich um Dokumentationen, Begegnungen, Gespräche, wissenschaftliche Vorträge, künstlerische Veranstaltungen und Exkursionen. Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern half den Gemeinden mit einer finanziellen Überbrückung von 15.000 Mark, freilich deckt dieses Geld gerade die Kosten im Sozialbereich. Hinzu kommen, seitdem im Juni 1996 mit der Landesgemeinde ein Staatsvertrag abgeschlossen wurde, jährlich 480.000 Mark. Aber Geld allein löst natürlich nicht alle Probleme. Wichtig ist bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben vor allem der Einsatz von Sozialarbeitern.
Ferner müssen Deutschkurse abgehalten werden, um Neuankömmlinge mit der deutschen Sprache vertraut zu machen. Das größte Problem aber ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit. Die meisten der Einwanderer finden keine Anstellung, obwohl viele von ihnen akademisch ausgebildet sind, als Bauingenieure, Architekten und Ärzte. Nicht wenige leben von der Sozialhilfe. Besser steht es dagegen mit der religiösen Betreuung. Um diese kümmert sich, in Rostock und in Schwerin, seit Oktober 1997 Andrew Steinmann, ein Religionslehrer aus Berlin, so dass jetzt alle zwei Wochen abwechselnd in jeder Gemeinde ein Schabbatgottesdienst gefeiert werden kann. Außerdem vermittelt Steinmann durch intensiven Nachhilfeunterricht russischen Eltern und Kindern die wichtigsten Kenntnisse über die jüdische Religion. Für Abwechselung und Entspannung in den Gemeinden sorgen hingegen die vor kurzem gegründeten Video- und Seniorenklubs und Jugendgruppen. Die Rostocker Gemeinde verfügt sogar über ein eigenes kleines Theater.(Stand 1998/1999)
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