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Zahlreiche Friedhöfe und wenige jüdische Gemeinden
Viele der einst blühenden jüdischen Gemeinde sind verschwunden: in Oberwesel, in Edenkoben, in Speyer, in Worms, an der Mosel und in Wittlich, um nur einige zu nennen. In Bingen und in Zeltingen beispielsweise künden von der Geschichte der jüdischen Gemeinden nur noch die Grabsteine auf den Friedhöfen. Eine kleine schöne Synagoge findet man heute noch in Schweich. In den kleineren Orten an der Mosel wurden die Synagogen wurden hier kaum zerstört.(Eine Ausnahme bildet allerdings Cochem.) Viele hat man in Wohnhäuser umgewandelt. Heute noch sprechen ältere Dorfbewohner mit großer Hochachtung von ihren ehemaligen jüdischen Nachbarn, von hilfsbereiten jüdischen Ärzten, Vieh- oder Weinhändler. Manch einer hat den Bauern mitunter für ihr Vieh mehr Geld gegeben, als die Tiere wert waren. Aber ohne Schatten verlief auch hier das jüdische Leben nicht. Der kleine Ort Kinheim zwischen Bernkastel und Traben-Trarbach hatte keine Juden, wohl aber eine heute noch existierende Judengasse, die für die Juden bestimmt war, die das das Dorf durchquerten. Selbst in den Weinbergen durften Juden nur bestimmte Wege benutzen.
Die meisten Juden sind rechtzeitig ausgewandert, erzählt man sich. Einige kehrten als der Krieg zu Ende war, in die alte Heimat zurück, nicht selten in amerikanischer Uniform. Einer hatte Rache geschworen, aber als er das Elend der einfachen Leute sah, die nun wieder ganz von vorne beginnen musste, erkannte er, dass er damit die eigentlich Schuldigen nicht treffen würde.
An anderen Orten, an denen heute keine Juden mehr leben, hat man die zerstörten Synagogen in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder aufgebaut und in Gedenkstätten umgewandelt, zum Beispiel in Worms und in Wittlich. Die in den letzten Jahren vorbildlich wieder restaurierte Synagoge in Wittlich war im Krieg Kriegsgefangenenlager für französische Häftlinge. Von den annähernd 300 jüdischen Wittlichern kehrte, nachdem die Schreckensherrschaft der Nazis vorbei war, niemand zurück. Jeder dritte Wittlicher Jude starb in einem Konzentrationslager.
In Worms, deren jüdische Gemeinde bei Hitlers Machtantritt schon fast tausend Jahre bestanden und in dem verhängnisvollen Jahr 1933 noch 1100 jüdische Bürger gezählt hatte, kann der Besucher heute wieder durch die vorbildlich sanierte Judengasse wandeln und Europas ältesten jüdischen Friedhof besuchen.
In dem im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg gelegenen Freudenburg an der Saar wusste lange Zeit niemand mehr, dass hier einmal eine jüdische Gemeinde bestanden hatte. Nur einmal noch -?im Jahr 1971 - wurde hier auf dem jüdischen Friedhof jemand begraben: Isidor Kahn. Er war 1887 in Freudenburg geboren worden, hatte im Versteck die Nazizeit überlebt und war 1966 zurückgekehrt, um in seinem Heimatdorf zu sterben. So wie in Freudenburg ist an auch anderen Orten die jüdische Geschichte in der Region weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen, nicht zuletzt auch deshalb weil nach 1945 Desinteresse und Unwissenheit zum weiteren Verschwinden von Überresten pfälzisch-jüdischer Kultur führten, die die Nazizeit überdauert hatten.
In den größeren Städten wie in Mainz, Trier, Koblenz wurde nach 1945 das jüdische Gemeindeleben im bescheidenen Rahmen wieder neu aufgebaut. Auch Bad Kreuznach hat heute wieder eine kleine Gemeinde. In Neustadt an der Weinstraße wurde 1960 zwar ein jüdisches Elternheim erbaut. Da aber 1987 nur noch acht ältere Menschen dort ihren Lebensabend verbrachten, wurde das Heim inzwischen geschlossen. Auch die dort untergebrachte Synagoge musste aufgegeben werden. Gegenwärtig gibt es nur die Jüdische Gemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Neustadt. Die Synagoge dieser Gemeinde befindet sich in Kaiserslautern.
Am 1.1.1992 gehörten der Kultusgemeinde der Rheinpfalz 72 Mitglieder an. Zum gleichen Zeitpunkt verwaltete und betreute die Gemeinde 83 jüdische Friedhöfe in der Pfalz.
Nach Koblenz, in dessen Bezirk 1925 noch 709 Juden gemeldet waren und wo es im Jahre 1816 sogar 36 jüdische Schulen mit 37 Lehrern und 571 Schülern gegeben hatte, kehrte nur ein Koblenzer Jude wieder zurück, um nach vier Jahren wieder auszuwandern. 1948 wurde die ehemalige Leichenhalle am jüdischen Friedhof mit Hilfe der damaligen französischen Besatzungssoldaten zu einer Synagoge umgestaltet. Heute ist die jüdische Kultusgemeinde Koblenz Rechtsnachfolgerin von über 40 jüdischen Gemeinden aus dem Umkreis, die bis zum Zweiten Weltkrieg existiert hatten. Doch im Gegensatz zu den übrigen Gemeinden in der Rheinpfalz hat diese Gemeinde mit großen strukturell bedingten Schwierigkeiten zu kämpfen.
In Trier dagegen, obgleich auch diese Gemeinde lange Zeit recht klein war, hat die Gemeinde immer viel Gemeinsinn bekundet und sich stets bemüht, jüdisches Leben in Trier zu pflegen. Trotz der geringen Zahl der Mitglieder finden allwöchentlich Gottesdienste statt. Hin und wieder reist ein Rabbiner aus Luxemburg an. Denn gegenwärtig gibt es in ganz Rheinlandpfalz keinen amtierenden Rabbiner. Für den Religionsunterricht der Kinder kommt einmal in der Woche ein Lehrer hierher aus Wiesbaden. Auch wenn sich die Gemeinde keine jüdische Schule und kein jüdisches Altersheim leisten kann, so ist das Gemeindeleben, an dem Ältere und Jüngere gleicherweise beteiligt sind, doch quicklebendig. Man trifft sich an den Feiertagen, an Pessach und Chanukka zum Beispiel, und pflegt freundschaftliche Kontakte zur christlichen Nachbargemeinde. Sogar eine jüdische Frauengruppe gibt es hier, die einmal im Monat zusammenkommt. Für einen Sportverein reicht allerdings die Zahl nicht aus. Etliche Juden leben zwar auch außerhalb der Gemeinde und haben wahrscheinlich nie eine Synagoge von innen gesehen. "Von ihnen erfahren wir meistens erst etwas", sagte Voremberg, der einstige Vorsteher der Gemeinde, "wenn sie beerdigt werden."
Früher existierten im Regierungsbezirk Trier viele kleine Gemeinden mit beinahe dreieinhalbtausend jüdischen Menschen. Jedes dritte Dorf hatte eine kleine jüdische Gemeinschaft mit Synagoge und eigenem Friedhof. Vierzig Friedhöfe existieren heute allein im Raum Trier. Vereinzelt leben in der Umgebung heute wieder Juden, die jedoch, wenn sie an einem Gottesdienst teilnehmen wollen, nach Trier kommen müssen. Aber wenn einer, meint Voremberg, von seinem Judentum innerlich überzeugt ist, dann ist ihm auch der Weg von Bernkastel oder anderswoher nach Trier nicht zu weit. Manche kommen sogar aus Bitburg oder aus Idar-Oberstein, obwohl diese Orte nicht mehr zum Trier Gebiet gehören. Solange Amerikaner, die auf den Flugplätzen bei Trier stationiert waren, kamen auch diese häufig zum Gottesdienst nach Trier.
Am 3.Dezember 1999 wurde der zwei Jahre zuvor beschlossene Staatsvertrag zwischen dem Bundesland und dem Landesverband Jüdischer Gemeinden von Rheinland-Pfalz unterzeichnet und damit eine jahrzehntelange Rechtsungleichheit beseitigt.
Inzwischen hat sich die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz so weit erhöht, dass der Satz, den Dr. Kurt Metzger, der letzte Landauer Bezirks-Rabbiner bei der Enthüllung eines Gedenksteins im Jahr 1992 am Standort der Speyerer Synagoge ausgesprochen hat: "Wo einst jüdisches Leben blühte - gibt es nur noch Zwerggemeinden mit einem Häuflein Juden, Friedhöfen und Ruinen"zum Glück so nicht mehr stimmt.
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