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Jüdische Gemeinden im Mittelalter

Seit Beginn des l4.Jahrhunderts muss es Juden auch an anderen Orten im heutigen Sachsen-Anhalt gegeben haben, zum Beispiel in Aschersleben, Bernburg, Ballenstedt, Calbe, Schönebeck und Stendhal. In der späteren Lutherstadt Wittenberg wohnten ebenfalls Juden - bis zu ihrer Vertreibung 1440. Die Gemahlin des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen, Kurfürstin Margaretha, hatte mit Vehemenz die Austreibung aller Juden aus Wittenberg durchgesetzt. In einer 1508 herausgegebenen Werbeschrift für Besucher der Wittenberger Universität ließ der Verfasser den Fremden fragen: "Und wie heißt die Gasse, durch die der schnelle Bach eilt?" Die Antwort lautete:"Jüdengasse, nach den Juden, die einstmals hier wohnten." Offensichtlich hielten sich um 1500 keine Juden mehr im ehemaligen Judenghetto zu Wittenberg auf. Heute noch ist an der Stadtkirche, in der Luther predigte, an der Südostecke hoch über dem kleinen Kirchenplatz die "Judensau" aus dem Jahr 1305 zu sehen, mit der Juden öffentlich verspottet wurden und mit der man die christliche Verachtung für die "hartnäckigen und unbelehrbaren"Juden zum Ausdruck brachte und ihr "Wiederkommen" verhindern wollte.

Die Geschichte von Halberstadt und Halle lässt sich vom frühen Mittelalter an fast lückenlos verfolgen. Von Halberstadt weiß man, dass hier um die Zeit von 1456 elf Familien gewohnt haben. Sie konnten sich sogar eine von zwei Rabbinern betreute Synagoge leisten, die jedoch 1669 von Halberstädter Handwerkern zerstört wurde. Obwohl sie auch noch im 15.Jahrhundert dem Erzbischof und nicht dem König gehörten, verpflichtete sie König Sigismund, ihm Tribut zu zahlen, da er für seine Hofhaltung, seine Reisen und das Konstanzer Konzil viel Geld brauchte. Später kamen die teuren Kämpfe gegen die Hussiten hinzu und Sigismunds Kaiserkrönung im Jahr 1433, für die sich der Herrscher von den Juden seines Reiches eine Krönungssteuer entrichten ließ.

Mitte des 15.Jahrhunderts begannen in Sachsen und Thüringen heftige Judenverfolgungen. Unter den antisemitischen Predigern tat sich in Halle vor allem Gerhard Dobler hervor. Auf eine Verfügung von Nikolaus Cusanus mussten Juden besondere Abzeichen tragen und, zum Schaden der übrigen Bürger, ihre Geldgeschäfte ganz aufgeben. Ihres Broterwerbs beraubt, verließen sie Halle 1458. Der Rat bekam es daraufhin mit der Angst zu tun und meldete dem kaiserlichen Fiskal in einem Rechtfertigungsschreiben, dass er die Juden nicht vertrieben habe, sondern dass diese vielmehr "unvertrieben" die Stadt verlassen hätten. Der Magdeburger Erzbischof Friedrich III. protestierte, gingen ihm doch mit dem Fortzug der Juden

erhebliche Einnahmequellen verloren. In Merseburg beklagten sich Christen noch 1493 über den Wucher der Juden, obwohl dort nur eine Judenfamilie weilte. Im selben Jahr wurden dann alle Juden aus Halle und dem übrigen Herrschaftsbereich des damaligen Bistums Magdeburg von Erzbischof Ernst verbannt. Erst zweihundert Jahre später bildeten sich, unter den Hohenzollern, in Halle, und, wenige Jahre darauf, auch

in Magdeburg, wieder jüdische Gemeinden.


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