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Apropos die Bibel
Die Bibel ist nicht nur das meistgelesene Buch der Geschichte. Sie hat auch wie kaum ein anderes die Literatur aller ihr folgenden Epochen beeinflusst, geprägt und inspiriert, wie etwa die Schriftsteller und Dichter Cervantes, Stevenson, Dostojewski, Kafka und nahezu jeden bedeutenden Autor. Mit dem durch das Absterben oder Ausdünnen der biblischen Religionen einhergehenden Verlust der Bibellektüre und Bibelkenntnis droht freilich auch das Verständnis für den größten Teil der okzidentalen Literatur, Kunst und Musik verloren zu gehen und damit ein großer Teil unseres Kulturerbes, befürchten besorgte Zeitgenossen.
"Wie hätte eine Bibel aussehen müssen, dass sie die Selbstvernichtung der Menschheit aufhält?" fragte einst Elias Canetti. Seitdem sind Literaten auf der Suche nach dem Webfehler im Text der Bibel, der daran schuld sein könnte, dass die Schöpfung missraten ist.
Doch steht es wirklich so schlimm? Immerhin wird die Bibel von den meisten Autoren des 20.Jahrhunderts als Werk der Weltliteratur bis in die Gegenwart hinein hoch geschätzt. Als Bertolt Brecht nach seiner Lieblingslektüre gefragt wurde, bekannte er: "Sie werden lachen - die Bibel". So ist es wohl kein Wunder, dass man in seinen Stücken hunderte von Bibelzitaten gezählt hat und dass Psalmen für seine Lyrik von großer Bedeutung waren.
Für Arnold Stadtler ist die Heilige Schrift "großartige Literatur in Prosa und Versen." Auch für Goethe war die Bibel bekanntlich ein Buch der Poesie, die Quelle wunderbarer Geschichte und einer einprägsamen, beeindruckenden Sprache, aber kein Ort der Offenbarung. Ähnlich äußerte sich Max von der Grün vor geraumer Zeit in einem Gespräch.
Franz Fühmann wiederum verknüpfte seinen geistigen Werdegang mit seinen Erfahrungen mit der Bibel, in der, seiner Meinung nach, das Geheimnis des Menschen und der Weltgeschichte wie in keinem anderen Buch zur Sprache kommt. Auch Heinrich Böll, Stefan Heym, Horst Bienek, Peter Handke, Walter Jens und George Tabori erarbeiteten biblische Stoffe auf unterschiedliche Weise.
Für einige ist die Bibel nur noch bloßes Bildungsgut, andere wiederum greifen biblische Stoffe auf, um an ihnen aktuelle Problem zu verdeutlichen, wobei das Buch der Bücher nicht selten in eine ihnen fremde Sprache übersetzt wird.
Mit Vorliebe griffen auch Autoren der ehemaligen DDR mythologische, biblische, literarische und historische Stoffe auf, um sich in chiffrierter Form über die politischen Zustände ihres Staates und unserer Zeit kritisch auszulassen oder auch, um sich eine gewisse Gestaltungsfreiheit zu verschaffen, wie Christoph Hein mit "Die Ritter der Tafelrunde" und "Die wahre Geschichte der Ah Q", Stefan Heym mit "König David" und "Ahasver", Christa Wolf mit "Kassandra" und Peter Hacks mit "Adam und Eva", "Amphitryon", "Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern" und "Die Schlacht bei Lobositz".
Gerade Fühmann, der stets auf der Suche war, das Wesen seiner selbst und des Menschen allgemein zu ergründen, stieß in den entscheidenden Situationen seines Lebens immer wieder auf die Bibel und entdeckte in ihr die vermeintliche Wahrheit über den Menschen und ein Verhaltensmuster, das hilft, das Leben in Würde zu bestehen. Biblische Zitate und Metaphern als Versatzstücke und zur Erhellung von Alltagssituationen findet man ferner bei Thomas Bernhard, Friedrich Dürrenmatt und Günter Kunert. Insbesondere wenn es um Alter, Sterben und Tod geht, wird die Bibel gern als Stoff- und Quellensammlung herangezogen und zur modellhaften Darstellung von Lebensproblemen genutzt. Unumgängliche Schuldverflechtung der Menschen und Sehnsucht nach einem Gott, der aus dieser Not befreien könnte, sind in modernen Büchern keine Seltenheit. Magda Motté meint, der Ausspruch: "Nur ein Gott kann uns retten" - dieses ironisch-ernste Wort der Titania, einer Figur aus dem Theaterstück "Der Park" von Botho Strauß - charakterisiere die verworrene heillose Situation, in der sich die Personen des Dramas, Spiegelbilder von Menschen unserer Zeit, befänden.
Oft sind die Schriftsteller mit dem Buch der Bücher in einem fruchtbareren Dialog als wir es von Kanzel und Katheder gewöhnt sind, heißt es nicht von ungefähr in der von Jürgen Ebach und Richard Faber herausgegebenen Studie "Bibel und Literatur".
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