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Wie findet der Dichter seinen Standpunkt?

So wie der Einzelne seinen Standort in der Welt heute oft außerhalb der leitenden Ordnung der Kirche sucht, so hat sich auch kulturelles, künstlerisches Schaffen seit langem verselbstständigt. "Sehr viele Menschen leben", sagt der Religionssoziologe Paul Zulehner, "auf einer religiösen Dauerbaustelle. Sie holen sich individuell die Materialien auf dem religiösen Baumarkt und errichten sich ein eigenes, maßgeschneidertes Religionsgebäude." Respiritualisierung sei ein produktiver Aufstand gegen die Banalität. Wichtig sei allerdings ein freiheitlicher Dialog, der jede Form von Bevormundung zu vermeiden suche.

Carola Meier-Seethaler konstatiert in ihrem "Plädoyer für eine spirituelle Ethik. Jenseits von Gott und Göttin", dass entgegen den Voraussagen der Aufklärung sich das religiöse Bedürfnis als eine anthropologische Konstante nicht überlebt habe. Die Gretchenfrage könne indes nicht mehr lauten: "Glaubst du an Gott? sondern: Glaubst du an die Menschlichkeit, das heißt an das menschliche Vermögen des Mitgefühls und an die Verantwortung für die Beseitigung selbstverschuldeter Leiden?" Der Mensch kommt sich abhanden, wenn er den Glauben an ein Unbedingtes verliert, an das, was im Sinne Kants ein Wert an sich selbst ist und daher keinen Preis hat. Es wäre schlimm wenn auf den "Tod Gottes" der "Tod des Menschen" folgte durch ein postbiologisches oder posthumanistisches Zeitalter. Ein amerikanischer Philosoph namens Dan Dennet habe sich schon in dieser Richtung geäußert, wir müssten uns, meint dieser Autor, von der Ehrfurcht vor dem Leben und der Menschenwürde befreien, wenn wir mit der künstlichen Intelligenz Fortschritte machen wollen.

Wir blieben zwar ohne Antwort, fährt Carola Meier-Seethaler fort, auf die Frage nach dem Woher und Wohin. Kein Himmel könne die Leiden eines gefolterten Kindes oder die Gräuel von Auschwitz wieder gutmachen. Ob es Gott gibt oder nicht, wir wissen es nicht genau, der eine glaubt, der andere nicht. Wichtig sei, schreibt sie dass Menschenwürde, Ehrfurcht vor dem Leben, die Einsicht, dass das gute Leben mit materiellem Wohlstand allein nicht herstellbar ist, bewahrt und immer wieder angemahnt wird. Für Carola Meier-Seethaler liegt genau hierin der spirituelle Kern der Ethik.


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