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Goethe und das Griechentum

"Das Land der Griechen mit der Seele suchend.." oder:

Die Griechen haben "den Traum des Lebens am schönsten geträumt"

Einleitung

Goethe hat die alten Griechen uneingeschränkt bewundert. Er sah sie fast immer groß, groß im Geiste wie in der körperlichen Gestalt.Seiner Meinung nach hatten sie von der wesenhaften Dreieinigkeit der Güte, Wahrheit und Schönheit eine einzigartige Offenbarung der Schönheit erfahren. Den Griechen galt Goethes ganze Liebe. Griechentum war ihm gleichbedeutend mit Menschsein. Unter allen Völkerschaften haben die Griechen "den Traum des Lebens am schönsten geträumt" heißt es in seinen “Maximen und Reflexionen”. Wo er die Griechen erwähnt, geschieht es stets mit dem Ausdruck oder der Andeutung begeisterter Ehrfurcht. Ihre Wirklichkeitsnähe galt ihm als Grundtugend, aus der alle anderen entsprangen.

Für ihn war die griechische Lebensweise der christlichen Lebensauffassung scharf entgegengesetzt, zudem glaubte er, dass zwischen moderner Falschheit und griechischer Aufrichtigkeit ein Gegensatz bestünde ("Götter; Helden und Wieland").

Er hielt die Griechen für ein Volk, das es besser verstanden habe, das Leben im großen Maßstab zu formen, unbedenklich auszugreifen, das Dasein bis zur Grenze zu erfahren, wobei es ihnen gelungen sei, diesen Drang in Grenzen zu halten, so dass er sich niemals in Formlosigkeit verlor, auch wenn die griechische Form bisweilen übermenschliche Dimensionen erreichen konnte. Die Griechen erlangten, laut Goethe, die Vollendung der Humanität durch harmonisches Zusammenspiel aller menschlichen Fähigkeiten und dadurch, dass sie sich begnügten, innerhalb der Welt und in der Gegenwart, zu leben, zu wirken und zu leiden.

Für Goethe waren sie Vorbilder, aber kopieren wollte er sie nicht, nur ihnen nacheifern. Seine Bewunderung für Homer verlockte ihn nicht dazu, Epen in Hexametern zu verfassen. Neben Homer beruft er sich auch auf Sophokles und Theokrit, denn "die haben's mich fühlen gelehrt." Vor allem die "Ilias" und die "Odyssee" offenbarten ihm viel über das Wesen des Menschen und der Welt sowie über Genie und Kunst. Aus diesem Wissen entstanden dann sein "Götz", sein "Werther", sein "Prometheus" und sein "Faust".

Goethes Wendung zur Antike drückt auf eine persönliche Weise den welthistorischen Konflikt zwischen dem Polytheismus und dem Monotheismus aus, zwischen Heidentum und Christentum. In der Antike sah er eine humane und zugleich religiöse Form des Heidentums, zu der er sich selbst mehrfach bekannte wie etwa in dem Gedicht “Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht..”

Zweifellos hat sich Goethe in vielen Phasen seines Lebens der Poesie der Bibel nahe gefühlt. Aber es setzte auch immer wieder die Gegenbewegung des antiken Geistes ein, deren feste epische Form, klare irdische Ordnung, reine sinnliche Schönheit er vor allem pries. In einer solchen Gegenstimmung schrieb er an den Philologen Karl August Böttiger 1790:

"Beim erneuerten Studium Homers empfinde ich erst ganz, welches unnennbares Unheil der Jüdische ('und Christliche' heißt es in einigen Dokumenten) Praß uns zugefügt hat. Hätten wir die Sodomitereien und Ägyptisch-Babylonischen Grillen nie kennen lernen, und wäre Homer unsere Bibel geblieben! Welch eine ganz andere Gestalt würde die Menschheit dadurch gewonnen haben!"

Goethe war eben so sehr ein Schüler der homerischen Griechen wie ein Jünger des biblischen Volkes. Der Dichter schöpfte aus vielen Quellen, aus griechischen, römischen, germanischen, orientalischen. Gegensatz und Versöhnung der Religionen sind die Stichworte, unter denen Goethes Begegnung auch mit der Antike zu verstehen ist. "Juden gibt es unter den Heiden: die Wucherer; Christen unter den Heiden: die Stoiker; Heiden unter den Christen: die Lebemenschen", meinte er 1807 gegenüber Friedrich Wilhelm Riemer, und im Gespräch mit Kanzler von Müller äußerte er am 6.Juni 1824: "Die Gegensätze der heidnischen und christlichen Religion bieten allerdings eine reiche Fundgrube für die Poesie: "Doch dann folgt der Satz: "Aber eigentlich taugen beide nichts."

Als Wilhelm Meister seinen Sohn Felix der Obhut der "Pädagogischen Provinz" übergeben hat, lernt er auch die Heiligtümer kennen, sieht an den Wänden die erste echte Religion der Geschichte, der Griechen, die philosophische Religion, die der Weisen, die auch Christus lehrte.

In seinen Sprüche in Prosa aus dem Jahr 1821 heißt es:

"Antike Tempel

conzentrieren den Gott im Menschen,

des Mittelalters Kirchen

Streben nach dem Gott in der Höhe."

Abgesehen von der Zeit, die Goethe mit Schiller verbrachte, "erscheint Goethe wie ein Grieche, der hier und da eine Geliebte besucht. mit dem Zweifel, ob es nicht eine Göttin sei" meinte Nietzsche in “Menschliches, Allzumenschliches”, und bei Eckermann heißt es: “Der griechischen Kunst, Philosophie und Literatur haftet der Charakter des Großartigen an, des Tüchtigen, des Gesunden, des Menschlich-Vollendeten, der hohen Lebensweisheit, der erhabenen Denkungsweise, der reinkräftigen Anschauung und welche Eigenschaften man sonst noch aufzählen könnte.”


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