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Heines Rückkehr zu Gott
Zu einer Revision seines Glaubens und einer ansatzweisen Zurücknahme seiner Religionsschelte zwang ihn dann die Erfahrung seiner tödlichen Krankheit, die ihn ausgerechnet im Revolutionsjahr 1848 Ende Mai aufs Krankenlager verbannte, in die "Matratzengruft" zu Paris. "In demselben Maße wie die Revolution Rückschritte macht, macht meine Krankheit die ernstlichsten Fortschritte", bekannte er in einem Brief an Julius Campe vom 28.Januar 1852..
Deutlich zu erkennen ist diese Wendung an der zweiten "im Wonnemond 1852" verfassten Vorrede "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland." Zunächst war die 1834 in Paris abgeschlossene Studie ganz aufs Diesseits gerichtet. In der zweiten Vorrede indes revidiert Heine seine Sicht der "Gottesfrage". Sie sei "eben so falsch wie unbesonnen" gewesen. Falsch sei gleichfalls seine Behauptung gewesen, dass die Vernunftkritik, die die "Beweistümer für das Dasein Gottes" vernichtet habe, auch "dem Dasein Gottes selber ein Ende gemacht habe."
"Die Hand Gottes", schreibt Heine an Leopold Wertheim am 15.März 1850, "liegt schwer auf mir; doch sein Wille heiliger Wille geschehe." (Briefe S.385)
Iris Radisch schreibt in der "Zeit" vom 16.2.2006: "Die Mägdelein mit ihren blanken Äugelein sind ihm nicht nur im Leben, sondern auch in den späten Gedichten ganz abhanden gekommen. Mit ihnen die gesamte 'schöne Nachtigallenwelt! /Wo man statt des wahren Gottes/Nur den falschen Gott der Liebe/ Und der Musen angebetet'." Geschrieben im Jahr 1851, "beinahe schon auf dem Totenbett, auf dem er schließlich doch noch dem Herrgott von dem er einmal so schmissig und schmelzend behauptet hat:"Er ist in allem, was da ist/er ist in unseren Küssen" begegnet sein will. Hat er wirklich zu Gott gefunden? Vielleicht. Vielleicht war aber auch das ein letztes Spiel, der Schritt vom Spiel zu Gott", vermutet Iris Radisch.
Heines radikale Diesseitigkeit werde, so Wolfgang Schneider in "Die Welt" vom 17.2.2006, in den Jahren der "Matratzengruft" auf eine harte Probe gestellt. Seine Klage gehe allerdings auch dann immer noch mit Selbstironie einher. "Ich kann meine eigenen Schmerzen nicht erzählen, ohne dass die Sache komisch wird."
So bewahrt sich Heine im größten Körperelend eine erstaunlich produktive Überlegenheit der "Romanzero" mit den grandiosen Lamentationen wird zum Triumph. Hat zuvor ein Autor so leichthändig über den eigenen nahen Tod gedichtet, der doch immer etwas ganz anderes ist als allgemeine Beobachtungen über die Vergänglichkeit? Der rhetorische Ton der Liebesgedichte macht es manchmal schwer, an das dargestellte Leid zu glauben; die Sterbensgedichte ergreifen wirklich. Und die Briefe des Erblindeten und Halbgelähmten nicht weniger."
"Ich sterbe", klagt Heine, "verflucht langsam, aber ich spüre doch den täglichen Grabesfortschritt."
"Auf diesem harten Weg (Schneider) werden auch die Angebote der Religion neu geprüft: 'Ich beginne zu merken, dass ein Quentchen Gott einem armen Mann nicht schaden kann, vor allem wenn er seit sieben Monaten auf dem Rücken liegen muss", meint Heine und erkennt am Ende seines Lebens, dass der Gottesglaube trotz der Kritik Kants, trotz der atheistischen Religionskritik seiner Zeit, von Feuerbach, Marx, der linken Hegel-Schule, weiter existiert, und das durchaus sinnvoll.
Seine neuen Ansichten, Heine spricht sogar von Erleuchtung, verdanke er einzig und allein der Lektüre eines Buches, nämlich der Bibel.
"Ich verdanke meine Erleuchtung ganz einfach der Lektüre eines Buches: Eines Buches? Ja, und es ist ein altes schlichtes Buch, bescheiden wie die Natur, auch natürlich wie diese; ein Buch, das werkeltägig und anspruchslos aussieht, wie die Sonne, die uns wärmt, wie das Brot, das uns nährt - und dieses Buch heißt auch ganz kurzweg das Buch, die Bibel. Mit Fug nennt man diese auch die Heilige Schrift; wer seinen Gott verloren hat, der kann ihn in diesem Buch wiederfinden, und wer ihn nie gekannt, dem weht hier entgegen der Odem des göttlichen Wortes. Die Juden, welche sich auf Kostbarkeiten verstehen, wussten sehr gut, was sie taten, als sie bei dem Brande des zweiten Tempels die goldenen und silbernen Opfergeschirre ..im Stich ließen, und nur die Bibel retteten."
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