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Wie aber haben Kirchen und Christen auf Heine reagiert?
Die katholische Kirche hatte schon im September 1836 drei seiner Schriften auf den "Index verbotener Bücher" gesetzt und damit ein Verdikt ausgesprochen, das bis 1967 Gültigkeit hatte.
Auf evangelischer Seite protestierten 1887 und 1888 der Düsseldorfer Pfarrer Friedrich Frey und der Antisemit Adolf Stoecker heftig gegen ein Heinedenkmal in Düsseldorf und sorgten für die Verunglimpfung des Dichters. Lange Zeit wurde Heine von den Kirchen auch deshalb nicht wahrgenommen, weil er Jude war, ungeachtet der Tatsache, dass sein Leben, laut Felix Stössinger "ein einziges Religionsgespräch" war, und die meisten seiner Werke voller Anspielungen auf biblische Gestalten und Geschehnisse sind.
Vielleicht, vermutet Ferdinand Schlingensiepen, "ist Heines 'Witz- und Pointenstil einer der Gründe dafür, dass die Theologen seine Herausforderung nicht erkannt, jedenfalls aber nicht angenommen haben. Witzig dürfen theologische Eröterungen, bei denen es um den Geist, nicht aber um Esprit geht, wohl nicht sein." (S.8)
Heine hat, so Schlingensiepen, "seine theologischen Aussagen durchweg als einen geistvollen Angriff auf die 'positiven Religionen' und das hieß für ihn, auf die etablierten Kirchen vorgetragen. Dass er bereits im vorigen Jahrhundert (gemeint ist das 19.Jahrhundert d.V.) auch von Theologen seines Witzstils wegen abgelehnt worden ist, lässt sich belegen, aber der Grund dafür, dass man ihn als Theologen nicht gelten lassen wollte und sich nicht mit auseinander gesetzt hat, muss tiefer liegen.
Er hat sich als 'wilder Exeget' (Lévi-Strauss) betätigt. Er hat Bibel, Dogmatik und Kirchengeschichte seinen Zwecken dienstbar gemacht, ohne sich darum zu kümmern, dass er sich damit auf einem 'fremden Felde' bewegte, denn wilde Exegese gibt sich ihre Regeln selbst." (S.9)
Erst im Heinejahr 1997 kam es zu einer positiven kirchlichen Heinerezeption. In evangelischen und katholischen Zeitschriften erschienen zahlreiche Artikel über den Dichter, während in katholischen und evangelischen Akademien Heinetagungen stattfanden. Zugegeben, das alles war nicht gerade spektakulär und sensationell, aber doch ein Novum, das anscheinend Früchte getragen hat. Denn heute sind nicht wenige Theologen von Heine fasziniert: von seiner Bibelkenntnis, seiner biblisch gefärbten Sprache, von seinem Interesse an theologischen und politischen Fragen und von seiner Kirchenkritik.
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