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Ist "Der Vater" ein Widerstandsroman?

Klepper ging es um den Entwurf eines humanistischen Gegenbildes gegen die nazistische Ordnung, der bei ihm stark monarchistische Züge trug. Für den Schriftsteller war dies keine Flucht aus der Geschichte, sondern Bewältigung der Gegenwart. "Manchmal ist es Hanni und mir, als wäre die Gegenwart nur ertragbar, weil wir erst durch den 'Vater' und nun durch das 'Ewige Haus' zugleich in einer anderen Epoche lebten - und überwinden sahen." (13.6.40) Für Klepper war die Nazizeit nur eine Epoche unter anderem und nicht das letzte Wort in der Geschichte. Sein Roman übte eine ambivalente Wirkung aus, einmal war er Gegenbild zur zeitgenössischen Szene, so aufgenommen vor allem in Kreisen der Bekennenden Kirche, und dann war er literarische Manifestation von Obrigkeitsmystik.

"Man muss den bombastischen Lärm der politischen Propaganda jener Jahre im Ohre haben, um heute zu ermessen, welche Wirkung damals von diesen ebenso schlicht wie streng gefassten Strophen auf das ermüdete und geängstigte Gemüt ausgehen musste!" gibt Ihlenfeld zu bedenken.

"Der Vater" wurde, ohne dass es vielleicht von Klepper in dieser Weise beabsichtigt war, zu einem unübersehbaren Symbol der Distanz vieler Leser gegenüber dem Nationalsozialismus - auch in Kreisen der Wehrmacht.

Positives Echo erhielt der Roman allerdings auch durch die Parteipresse, der "Völkische Beobachter" widmete ihm eine gute Rezension. Kleppers religiös-ethisches Bekenntnis, wie er es zu Beginn eines jeden Kapitels durch die Voranstellung eines alttestamentlichen Bibelzitates aufs neue aussprach, wurde ebenso wenig wahrgenommen, wie die unheroischen Charakterzüge Friedrich Wilhelms I., den Klepper in seinem Roman als weinenden, schwermütigen, malenden und philosophierenden Menschen darstellt, der also ganz unsoldatische Züge hat.

Es war demnach möglich, Kleppers Roman gewaltsam nationalsozialistisch zu missdeuten, in Friedrich Wilhelm I.den Ahnherrn des Nationalsozialismus zu sehen. Hat Klepper das nicht geahnt oder nicht wahrhaben wollen? Denn am 1.März 1936 schrieb er an Prof.R.Hermann: "Viel Erfolg verspreche ich mir nicht, denn die Gestalt dieses Königs gehört der Kirche, nicht der Politik, in deren Sphären man jetzt so feiert und so missversteht."


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