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Religion als Spiel- und Experimentierfeld

Kehren wir noch einmal zur Literatur zurück und schenken drei weiteren Autoren unsere Aufmerksamkeit. Zuerst Hanns Dieter Hüsch, der als Prediger unter den deutschen Kabarettisten gilt und nicht nur Kabarett macht, sondern auch Texte aus der Bibel auf CDs spricht. Unter dem Titel "Wir sehen uns wieder" hat er Geschichten zwischen Himmel und Erde geschrieben, in denen er heiter und hintersinnig von Gesprächen mit dem lieben Gott erzählt.

So habe er in Dinslaken den lieben Gott getroffen, der ihn in den Himmel eingeladen habe, um sich von Zeit zu Zeit von ihm erheitern zu lassen. Hüsch willigt ein und nach einer mehrtägigen Himmelfahrt kommt er zum lieben Gott, der ihm zunächst einmal die Leviten liest und ihm dann den Weg zu seinen Verwandten und Freunden weist: zu Onkel und Tante, seiner ersten Frau und seinen Katzen, seinen Freunden Kay und Lore Lorentz, Hagenbuch und Ditz Atrops und schließlich seiner Mutter, die ihn lange anblickt und dann sagt:"Und du konntest dir wirklich nichts anderes vorstellen, als den Leuten dein Leben lang dummes Zeug vorzumachen?"

Eine theologisch-philosophische Idee oder, besser noch, ein köstlicher Einfall war die Triebfeder zu Harry Mulischs voluminösem Roman "Das Geschenk des Himmels". Nachdem die Menschen durch ihre Technik, so der Gedankengang des Autors, beinahe so allmächtig geworden sind wie Gott - immerhin haben sie den genetischen Code im Zellkern entziffert, spazieren auf dem Mond herum, können die Erde vernichten und glauben seit Freud, nicht mehr die Stimme des Schöpfers zu vernehmen, sondern die des eigenen Unbewussten -, scheint Gott überflüssig geworden zu sein. Folglich möchte der "Chef" der himmlischen Heerscharen die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten, an die sich ohnehin keiner hält, zurückhaben. Die Engel schmieden einen Plan. Ein menschliches Wesen soll erzeugt werden, das den Rücktransport der Gebotstafeln übernimmt. Alles, was von nun an im Umfeld einiger Menschen geschieht, dient diesem Vorhaben. Das Ganze ist ein groß angelegter unterhaltsamer Roman, der einem riesigen Gemälde gleicht mit einer Fülle heterogener Elemente. Schlichten Gemütern dürften indessen manche Spitzfindigkeiten und Boshaftigkeiten blasphemisch dünken.

Bei Peter Ustinov erscheint Gott ebenfalls in einigen Büchern, bei zweien sogar schon in der Überschrift: "Über Gott und die Welt" und in "Gott und die Staatlichen Eisenbahnen", ferner in dem Roman "Der Alte Mann und Mr.Smith". Der Alte Mann ist Gott, der andere der gefallene Engel, mithin der Teufel. Beide gehen nach langer Zeit zusammen auf die Erde, um sich in der Schöpfung umzusehen und um zu prüfen, ob sie überhaupt noch gebraucht werden. Es kommt zu allerlei heiteren Missverständnissen und komischen Szenen mit einer bunten Mischung von Zeitkritik und intelligenten Betrachtungen. Allerdings hat Ustinov - er ist halt ein Spaßvogel - manches überdreht und in Klamauk ausarten lassen. Man darf also auch von diesem Buch keine Offenbarung erwarten, keine neuen umwerfenden Erkenntnisse und vor allem keine tröstliche Botschaft. Die bekommt man allenfalls von Broschüren und kostenlosen Büchern mit Titeln wie "Kraft zum Leben", aber die wiederum haben mit Dichtung und Literatur nicht das Geringste zu tun.

Kurt Marti sagte einmal:"Vielleicht hält sich Gott einige Dichter (ich sage mit Bedacht:Dichter!), damit das Reden von ihm jene heilige Unberechenbarkeit bewahre, die den Priestern und Theologen abhanden gekommen ist." Als er dies schrieb, hatte er sicher Recht, das war vor zwanzig Jahren. Heute muss auch Marti diese Dichter mit der Laterne suchen.


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