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Schluss

Ein großer Teil des dichterischen Nachlasses von Gertrud Kolmar konnte gerettet werden. Einen Gedichtzyklus hatte Hilde Benjamin versteckt, jene Hilde Benjamin, die vor 1945 selbst zu den Verfolgten gehört hatte (ihr Mann, ein Bruder Walter Benjamins, kam im KZ Mauthausen ums Leben) und dann in der DDR als "rote Hilde" im Amt der Justizministerin Angst und Schrecken verbreitete.

Dem jahrelangen Bemühen von Hilde und Peter Wenzel um die Publikation des "Lyrischen Werkes", für die sich auch Peter Suhrkamp und Hermann Kasack einsetzten, ist es zu verdanken, dass dieses Werk für die Nachwelt erhalten geblieben ist. Auch der Erhalt der Briefe von Gertrud Kolmar und aller weiteren noch vorhandenen Dokumente ist das Verdienst der beiden Angehörigen.

Nach dem Krieg hat es an Bemühungen wahrlich nicht gefehlt, Gertrud Kolmars Dichtung in Deutschland bekannt zu machen. 1947 erschien ihre Gedichtsammlung "Welten" bei Suhrkamp. Andere Verlage publizierten ebenfalls wiederholt Bücher von ihr. Im Jahr 1993 erinnerte eine Ausstellung im Marbacher Schiller-Nationalmuseum und 1994 eine weitere im Heimatmuseum Falkensee an die jüdische Dichterin. Im Jahr 1993 verlegte der Jüdische Verlag erneut ihre Erzählung "Susanna" und gab einen reich bebilderten Dokumentationsband über ihr Leben und Werk heraus.

Renate Wiggershaus weist in einem Aufsatz über "Feministische Aufbrüche" darauf hin, dass nach dem Zweiten Weltkrieg nur konservative Autorinnen rezipiert wurden. "Die Gedichte der Nationalsozialistinnen Ina Seidel und Agnes Miegel fanden sich zuhauf in bundesrepublikanischen Lesebüchern. 1959 waren bereits dreizehn Oberschulen nach Miegel benannt, die Hitlers 'Wahn' mit 'schweigend ehrfürchtigem Staunen' erlebte und diesen Machtbesessenen und Mörder 'tief und glühend ergriffen' grüßte, erfüllt von 'demütigem Dank', dass sie ihm 'dienen' durfte. Vergeblich sucht man in Lesebüchern für höhere Mädchenschulen aus jener Zeit Gedichte von Gertrud Kolmar, Else Lasker-Schüler, Nelly Sachs, die von den Nationalsozialisten ermordet oder vertrieben wurden."

Ob sich in Zukunft eine größere Leserschaft für Gertrud Kolmars Dichtung erwärmen dürfte, dünkt freilich immer noch fraglich. Ihre geistige Nähe zu Christine Lavant und Elisabeth Langgässer sowie ihr moralisch rigoroser Lebenswandel, der dem Lebensstil der französischen Jüdin Simone Weil gleicht, dürften heute manchen eher abschrecken als anziehen.

Hier noch eine Empfehlung an Leser von Gertrud Kolmar:

"Die Dichterin

Du hälst mich in den Händen ganz und gar. /

Mein Herz wie eines kleinen Vogels schlägt /

In deiner Faust. Der du dies liest, gib acht; /

Denn sieh, du blätterst einen Menschen um, /

Doch ist es dir aus Pappe nur gemacht."... /

Das Gedicht endet mit den Zeilen:

"So ruf ich dich. Mein Ruf ist dünn und leicht. /

Du hörst, was spricht. Vernimmst du auch, was fühlt?"

(Das Lyrische Werk S.9)


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