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Kant und die Juden
Juden, die mit den religiösen Geboten aufgewachsen waren, konnten sich in der Religionsphilosophie und Ethik Kants durchaus zu Hause fühlen.
Juden, die sich vom Judentum entfernt hatten, beeindruckte besonders die Kantsche Konzeption einer universalen sittlichen Religion, von der sie glaubten, diese stehe für eine Zukunft jenseits von Judentum und dogmatischem Christentum.
Markus Herz (1747-1803) wurde ein guter Freund Kants und war einer seiner frühen Anhänger. Nach seinem Umzug nach Berlin war er ein wichtiger Briefpartner Kants. Herz wurde in Berlin Arzt und hielt dort Vorlesungen über die Kantische Philosophie, die wichtige Regierungsbeamte zugunsten Kants beeinflussten.
Moses Mendelssohn (1729-1786) war ebenfalls Kants literarischer Freund und Unterstützer. Kant hatte von Mendelssohn eine hohe Meinung, der Briefwechsel mit ihm war ihm wichtig. Mendelssohn besuchte im Juli 1777 Königsberg und Memel und nahm bei dieser Gelegenheit auch an einer Vorlesung von Kant teil. Als dieser den "Weisen von Berlin" unter seinen Zuhörern erblickte, unterbrach er seine Vorlesung, verließ sein Katheder, um den Gast herzlich zu begrüßen und zu umarmen. Die anwesenden deutschen Studenten war verwundert, sogar entrüstet, weil Kant einem Juden, der angeblich nicht zu ihresgleichen gehörte zu viel Ehre angedeihen ließ.
Auch der Rabbiner Abraham Geiger war Kant wohl gesonnen. Er war ein wichtiger Vertreter der jüdischen Reformbewegung, der häufig Lessing und Schiller zitierte und dessen Schriften den Einfluss von Kant und Hegel verraten.
Kant selbst war nicht frei von antijüdischen Vorurteilen. Er hat wie Fichte und Hegel die Juden und das Judentum im Rahmen ihrer metaphysischen Systeme kritisiert, da diese beiden Philosophen noch fest in der lutherischen Theologie verankert waren, auch wenn sie sich davon Schritt für Schritt entfernten.
Obgleich Kant in seinem Sittengesetz genau das artikulierte, was die Bibel mit ihrer Erinnerung an den Bund entfaltet hat, behauptete er 1798, dass die "unter uns lebenden Palästinenser... durch ihren Wuchergeist seit ihrem Exil in den nicht unbegründeten Ruf des Betruges" gekommen seien.
Bekannt ist auch, dass sich Adolf Eichmann auf Kant bezog, im Hinblick auf sein angebliches Pflichtgefühl, um sein Handeln im Nazi-Reich zu erläutern und zu rechtfertigen.
Horkheimer und Adorno zogen dagegen ganz andere negative Schlussfolgerung aus Kants Philosophie. Gerade die Entdeckung und Handhabung der Vernunft als einer rein souveränen, so erklärten sie, die keiner religiösen oder sonstigen Pietät mehr gehorcht, die Einsetzung des Verstandes ohne Leitung eines anderen habe es praktisch möglich gemacht, Vernunft als "Organ der Kalkulation" zu gebrauchen, die gegen Ziele neutral sei, bis hin zu ihrer faschistisch rationalisierten Gestalt in den Vernichtungslagern, bis hin zur Selbstauslöschung der aufgeklärten Subjekte.
Zugegeben, Kants Forderung nach einer "Euthanasie des Judentums" schockiert. Gleichwohl ist der Verdacht, dass er und seine Nachfolger die geistigen Urheber des Nationalsozialismus seien, nicht haltbar.
Micha Brumlik meint in seinem Buch "Deutscher Geist und Judenhass", es sei absurd zu meinen, Kant gehöre in die Vorgeschichte von Auschwitz. Immerhin ist er der Philosoph der Autonomie, der unbedingten Rechtlichkeit und der unverletzbaren Menschenwürde, dem sich ein großer Teil des deutschen Judentums im 19.Jahrhundert bis weit in die Orthodoxie hinein verpflichtet gefühlt habe. In seinem unableitbaren Sittengesetz artikuliere sich "systematisch und vernunftgemäß genau das, was die Bibel mit ihrer Erinnerung an den Bund und die gebietende Stimme vom Sinai in erzählender Sprache entfaltet." Zudem gehört Kant, laut Gulyga, in die Reihe der ersten Denker, die den selbständigen Wert der menschlichen Persönlichkeit, unabhängig von rassischer, nationaler, ständiger Zugehörigkeit, verkündet haben.
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