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Der ostjüdische Humor ist nach Amerika ausgewandert.
In Hollywood hatte das Jiddische keine Chance, sich zu entfalten, obwohl Juden hier die Entwicklung des Films zu einer vielschichtigen Kunst und zu einen milliardenschweren Geschäft voran getrieben haben.
Einen wichtigen Brückenkopf besitzt die jiddische Sprachgemeinschaft indessen in dem während des zweiten Weltkrieges von Wilna nach New York verlegten "Jiddischen wissenschaftlichen Institut", dem Yivo-Institut". Es war 1925 in Berlin zur Erforschung der Jiddischen Kultur gegründet worden. Sein Hauptsitz war bis 1940 Wilna, dem europäischen Jerusalem. Heute verfügt das Institut noch über eine Zweigstelle in Buenos Aires. Vorausgegangen war der Gründung 82 Jahre zuvor die Czernowitzer Sprachkonferenz mit ihrem groß angelegten Versuch, die jiddische Sprache und Literatur verstärkt ins Blickfeld der Sprach- und Literaturwissenschaft zu rücken.
Wilna war damals das Zentrum der neuen jiddischen Literatur. Hier entstand die Gruppe "Jung-Wilna", zu deren Mitgliedern der Dichter Chajim Grade gehörte. Das Wilnaer Theater, genannt die "Wilnaer Truppe" und E.R.Kaminskas Theater in Warschau, ebenfalls eine jiddische Bühne, errangen in der jüdischen Gemeinschaft Polens hohes, ehrenvolles Ansehen.
Ende des 19. und Anfang des 20.Jahrhunderts bildeten sich dann Jiddische Zentren auch in England, insbesondere im Londoner Stadtteil Whitechapel, während sich in Berlin Ostjuden in erster Linie im Scheunenviertel niederließen, dem "Schtetl in der Stadt". Hier widerstanden die Juden des Ostens dem Sog und den Verheißungen der Assimilation, sie bewahrten ihre Kultur, insbesondere ihre Sprache: das Jiddische. Hier gab es von 1900 bis 1918 sogar ein Theater, in dem jiddische Dramen aufgeführt wurden. Heute schlummern im Potsdamer Landeshauptarchiv Dutzende deutschsprachiger Texte jiddischer Stücke.
In Berlin lebten in den zwanziger Jahren etwa 100 000 Ostjuden. Sie besaßen dreißig Verlage, gaben insgesamt rund 230 Bücher und 26 verschiedene Zeitschriften heraus, darunter "Milgrojm", deren Titelseiten Marc Chagall und El Lissitzky gestalteten. In Berlin schrieb Dubnow seine zehnbändige ,Weltgeschichte des jüdischen Volkes".
Zu Beginn der zwanziger Jahre wurde Berlin durch jüdische Emigranten aus Russland und Galizien zur Metropole hebräischer Kultur, zu der Dichter wie Uri Zwi Greenberg und Saul Tschernichowski, der Erzähler und spätere Nobelpreisträger Samuel Josef Agnon, der Wissenschaftler Simon Dubnow - er verfasste eine jüdische Weltgeschichte - und der Philosoph Jakob Klatzkin beigetragen haben, und Deutschland insgesamt zum Zentrum des hebräischen Verlagswesens. Berlin hat zwar zeitweilig dem Hebräischen eine Herberge gegeben, doch Wurzeln schlagen konnte die Sprache hier auf die Dauer nicht. Denn mittlerweile waren die deutschen Juden in der deutschen Sprache schon fest verankert.
Doch die Zeit, in der Hebräisch und Jiddisch ihren Mittelpunkt zwischen Spree und Main fanden, ist vergessen, sowohl in Deutschland als auch in Israel. Erst seit wenigen Jahren bemühen sich Wissenschaftler um die systematische Rekonstruktion jener "anderen" jüdischen Geschichte in Deutschland, die offensichtlich nicht in das Bild einer Geschichtsauffassung passt, die bestimmt ist von den Koordinaten Assimilation und Emanzipation, Antisemitismus und "Beiträgen" zur deutschen Kultur.
Das Berliner Scheunenviertel aber, wo viele Ostjuden wohnten, wurde bereits am 5. November 1923 Schauplatz eines völkischen Pogroms. Die Polizei sprach von ,Plünderungen", die auf ,das Verhalten der Ostjuden" zurückzuführen seien. Mit dem lakonisch-ironischen Satz "Die Juden waren also selbst schuld" kommentiert Arno Lustiger diesen behördlichen Antisemitismus neun Jahre vor Hitler.
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