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Bücher

Mit seiner "im subjektivisten Styl" geschriebenen Harzreise, mit der er erstmals gegen die ästhetischen Normen der Kunstperiode Goethes und Schillers verstieß, gelang Heine der Durchbruch als zeitkritischer Prosaautor.

In vielen seiner Texte hat Heine anklingen lassen, wie er heranwuchs im Erlebnis einer bürgerlichen französischen Revolution, die freilich durch eine Besatzungsmacht importiert worden war und wie sehr er dann unter der deutschtümelnden, betont protestantisch-antisemitischen Gegenbewegung junger Deutscher seit dem Jahre 1815 gelitten hat. In seinem Buch Le Grand Kapitel VII" berichtet Heine über seine schulischen Erfahrungen. Mit dem Fach Deutsch hatte er offensichtlich keine Mühe gehabt, wohl aber mit Latein und Griechisch. Heine wörtlich: "Was..das Lateinische betrifft, so haben Sie gar keine Idee davon, Madame, wie das verwickelt ist. Den Römern würde gewiss nicht Zeit genug übrig geblieben sein, die Welt zu erobern, wenn sie das Latein erst hätten lernen sollen. Diese glücklichen Leute wussten schon in der Wiege, welche Nomina den Akkusativ auf 'im' haben. Ich hingegen musste sie im Schweiße meines Angesichts auswendig lernen, aber es ist doch immer gut, dass ich sie weiß. Vom Griechischen aber will ich gar nicht erst sprechen, ich ärgere mich sonst zu viel. Die Mönche im Mittelalter hatten so ganz Unrecht nicht, wenn sie behaupteten, dass das Griechische eine Erfindung des Teufels sei. Gott kennt die Leiden, die ich dabei ausgestanden..."

Gerade in diesem Buch erscheint Heines Kindheit in einem verklärten Licht. Auch über das Rheinland und seine Bewohner äußerte sich der Dichter stets freundlich, gelegentlich zwar mit gutmütigem Spott, wenn er etwa den Kölner Dialekt charakterisiert, aber doch ohne Bitterkeit.

In seinem "Memoiren"-Fragment gibt er einen Einblick in das Familienleben seines Elternhauses in Düsseldorf, der allerdings auf vielfache Weise literarisiert und stilisiert ist.

Mit seinen frühen Liedern, von denen sich noch heute viele großer Beliebtheit erfreuen, man denke nur an das Lied der Loreley, beginnt jene Lyrik Heines, die seinen Weltruhm begründete. Heines Debüt in der deutschen Literatur waren aber, weit mehr als das "Buch der Lieder" die zwischen 1826 und 1831 entstandenen "Reisebilder" über seine Reisen in den Harz, an die Nordsee und nach Polen. Sie füllen die Jahre zwischen Abschluss seines Jurastudiums in Göttingen und dem Weggang nach Paris im Mai 1831.

Die frühe Lyrik hat Heine bekannt und die Prosa der vier "Reisebilder"-Bände zum führenden Autor der jungen deutschen Literatur gemacht. Anfang 1831 wurde "Reisebilder IV" in Preußen indes verboten und konfisziert. Der preußische Oberzensor hatte das Werk, mit Blick auf die Stadt Lucca als "alles übersteigend, was mir von gotteslästerlichem Frevel je vorkommen ist" gewertet. Der Band sei "eines der verderblichsten Produkte, die in jüngster Zeit ins Publikum gebracht worden; es würdige das Heiligste herab, enthalte empörende Blasphemien, und beleidige durch schlüpfrige Darstellungen die guten Sitten."

Bald darauf wurden sämtliche Heinebücher in Preußen verboten. Als viele Jahre später, nämlich 1844, Heines "Wintermärchen" als Sonderausgabe erschien, befand der preußische Gesandte in Hamburg: "Sie atmen wieder solchen revolutionären Geist und Tendenz und sind so gehässig und unverschämt gegen Preußen und unsern erhabenen Monarchen gerichtet, dass mir ein Verbot unerlässlich erscheint." Dabei berief sich der Gesandte auf ein behördliches Gutachten, das Heines Werk geprüft und als unzumutbar für jeden ergebenen Untertanen deklariert hatte. "Es sind in Verse gebrachte, gemeingefährliche Schandreden über den Charakter des deutschen Volkes, die politisch-sozialen Institute Deutschlands und insbesondere die brutalsten Ausfälle auf die geheiligte Person des diesseitigen Staatsoberhaupts."

Folgerichtig wird das "Wintermärchen" in Preußen verboten und der unglückliche Zensor, der die erste Auflage in Hamburg nicht verhindert hatte, unter Androhung einer deftigen Geldstrafe abgemahnt.

Der berühmte Autor des "Buches der Lieder", der gefeierte Verfasser der "Reisebilder", der einfallsreiche Prosaist und Wortredner der "Gottesrechte des Menschen", galt schon zu seiner Zeit als charakterloses "politisches und moralisches Chamäleon". Machte er sich doch lustig über die Tabak rauchenden deutschen Handwerksgesellen, hielt die deutschen Republikaner für "gefährliche Narren, die Utopisten ohne Verständnis für geschichtliche Zusammenhänge" und prahlte zuweilen mit seinem "geistigen Königtum" und seiner monarchistischen Gesinnung.

Aus Heines Poesie spricht die Engagiertheit des Zeitkritikers. Bis zum Ende seines Lebens blieb er ein besessener Journalist. Er war aber auch ein leidenschaftlicher Patriot, der an unerwiderter Vaterlandsliebe litt.

1831 dichtete er:

"Ich hatte einst ein schönes Vaterland.

Der Eichenbaum wuchs dort so hoch,

die Veilchen nickten sanft.

Es war ein Traum.

Das küsste mich auf deutsch, und sprach auf deutsch

(Man glaubt es kaum, wie gut es klang)

das Wort: 'ich liebe dich!'

Es war ein Traum."

"Ich hab ein neues Schiff bestiegen/Mit neuen Genossen" verkündete Heine 1843, als er glaubte, in den radikalen politischen Bewegungen seiner Zeit eine Art Heimat gefunden zu haben. Hier der volle Wortlaut:

"Lebensfahrt

Ein Lachen und Singen! Es blitzen und gaukeln

Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln

Den lustigen Kahn. Ich saß darin

Mit lieben Freunden und leichtem Sinn.

Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer,

die Freunde waren schlechte Schwimmer,

Sie gingen unter, im Vaterland;

Mich warf der Sturm an den Seinestrand.

Ich hab ein neues Schiff bestiegen,

Mit neuen Genossen; es wogen und wiegen

Die fremden Fluten mich hin und her -

Wie fern die Heimat! Mein Herz wie schwer!

Und das ist wieder ein Singen und Lachen -

Es pfeift der Wind, die Planken krachen -

Am Himmel erlischt der letzte Stern -

Wie schwer mein Herz! Die Heimat wie fern!"

Im Dezember 1834 schrieb Heine seine Abhandlung "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland", um auf seine Weise, wie oben angedeutet, einen Beitrag zum Verständnis zwischen Frankreich und Deutschland zu leisten. In Frankreich galt die deutsche Philosophie, nicht zuletzt durch den Einfluss von Madame des Stael, als mystisch, religiös, idealistisch und vor allem als gefühlsbetont. Heine versuchte nun, das Gegenteil zu zeigen und die Entwicklung der Philosophie seit Luther darzustellen. Luther und Lessing erscheinen ihm als die großen Wegbereiter jeder religiös-philosophischen Veränderung. Er sieht die gesamte Entwicklung in drei wichtigen Etappen: der religiösen, der philosophischen und der politischen Revolution.

Der Schlussabschnitt seiner Schrift wurde in Deutschland vom Zensor gestrichen, in Frankreich jedoch genau gelesen, mehrfach nachgedruckt und zitiert.

Spinoza schätzte Heine ebenfalls sehr und schreibt, sein Leben war "rein und makellos wie das Leben seines göttlichen Vetters, Jesu Christi."

Von den Deutschen meinte er: "Wir Deutschen sind das stärkste und das klügste Volk. Unsere Fürstengeschlechter sitzen auf allen Thronen Europas, unsere Rothschilde beherrschen alle Börsen der Welt, unsere Gelehrten regieren in allen Wissenschaften, wir haben das Pulver erfunden und die Buchdruckerei; - und dennoch, wer bei uns eine Pistole losschießt, bezahlt drei Taler Strafe, und wenn wir in der 'Hamburger Correspondenz" setzen wollen: 'meine liebe Gattin ist in die Wochen gekommen, mit einem Töchterchen schön wie die Freiheit!' dann greift der Herr Doktor Hoffmann zu seinem Rotstift und streicht uns 'die Freiheit'."

In Berlin unter den Linden entdeckte Heine nach eigenem Bekunden eines Tages einen "Kerl", der nicht zu den Leuten gehört, "die das Pulver erfunden haben, sondern zu denen, die es gebrauchen, d.h.er ist Militär." Die Deutschen sind auf mal anrührende, auf mal ärgerliche Weise schwerfällig und tiefsinnig, während die Franzosen das Leichtfertige lieben und die unbekümmerte Tat allemal einem langen und unergiebigem Grübeln vorziehen. Das ist nicht nur der jeweiligen Mentalität geschuldet, sondern hat auch historische Ursachen. "Man vergleiche nur die Geschichte der französischen Revolution mit der Geschichte der deutschen Philosophie, und man sollte glauben, die Franzosen, denen so viele wirkliche Geschäfte obliegen, wobei sie durchaus wach bleiben mussten, hätten uns Deutsche ersucht, unterdessen für sie zu schlafen und zu träumen, und unsere deutsche Philosophie sei nichts anderes als der Traum der französischen Revolution."

Nach der Reformation kam in Deutschland, merkt Heine an, die philosophische Revolution und nach deren Vollendung die politische. "Diese Ordnung finde ich ganz vernünftig. Die Köpfe, welche die Philosophie zum Nachdenken benutzt hat, kann die Revolution nachher zu beliebigen Zwecken abschlagen." Wäre der Verlauf umgekehrt vor sich gegangen, erst die politische und dann die philosophische Revolution, hätte die Philosophie nimmermehr diese Köpfe gebrauchen können."

Heines Abhandlung "Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland" ist kurzweilig, mitunter geradezu amüsant zu lesen und konfrontiert die Leser mit neuen, wenn auch eigenwilligen, subjektiven Sichtweisen, die den einzelnen dargestellten Persönlichkeiten natürlich nicht immer gerecht werden.

Karl Gutzkow veröffentlichte am 11.März 1835 eine Rezension zu Heines Buch und begann diese mit folgenden Worten:

"Schon seit langer Zeit vernahm man, dass sich Heinrich Heine, unsere nach Paris verflogene Nachtigall, damit beschäftige, deutsche Mehlwürmer aus dem Gebiete der Theologie und Weltweisheit zu verspeisen. Wie er es tut, sieht man an diesem Buche, welches für Deutschland viel Erinnerung, für Frankreich viel Belehrung enthält..."

"Ich glaube", so Robert Gernhardt, "Heine wollte sich immer zwischen alle Stühle setzen. Das war bei ihm habituell. Wenn er seine Leser in einem Gedicht mit einem rührenden Effekt gepackt hatte, dann stach ihn der Hafer und er ließ den gefühlvollen Zeilen gleich die witzige Farce folgen. ...für dieses Ziel nicht gestellt werden zu können, sind Ausflüge ins Komische natürlich nützlich. Die bringen alle Festlegungen oder Zuordnungen sehr effektiv durcheinander."

"Und wenn das Herz im Leib ist zerrissen,/ Zerrissen und zerschnitten, und zerstochen,/ Dann bleibt uns doch das schöne gelle Lachen", schreibt Heine. Gernhardt bemerkt dazu: "Das ist vermutlich die letzte Möglichkeit, die dem Menschen gegeben ist, aus all seinem Unglück noch einen irgendwie gearteten Lustgewinn zu ziehen. Heine hat das vorgelebt. Er hat auf dem Krankenbett verzweifelte Briefe geschrieben und daneben ein Gedicht wie "Vermächtnis", in dem er seine Krankheiten testamentarisch an seine Feinde verteilt. "Diese würd'gen, tugendfesten/ Widersacher sollen erben/ All mein Siechtum und Verderben,/Meine sämtlichen Gebresten."

Iris Radisch wiederum streicht in einem "Zeit"-Artikel (16.2.2006) Heines Hang zur Desillillusion heraus und zitiert sein im Stil der Romantik gedichtetes Lied:"Die blauen Frühlingsaugen/Schaun aus dem Gras hervor/Das sind die lieben Veilchen/Die ich zum Strauß erkor" und "Du bist wie eine Blume,/So hold und schön und rein:/ Ich schau dich an, und Wehmut/ Schleicht mir ins Herz hinein.// Mir ist, als ob ich die Hände/Aufs Haupt dir legen sollt,/Betend, dass Gott dich erhalte/ So rein und schön und hold."

Das sei, so Iris Radisch, gesagt von einem, "der weiß, dass es das alles nicht gibt und man das so auch nicht mehr sagen kann und der doch diese ranzige Himmelsspeise noch ein bisschen nachschmeckt und wehmütig blättert in den alten Büchern, in denen von solch hygienischen Männerfantasien sehr viel die Rede war."

In Heines letzten Lebensjahren entstanden, wie schon angemerkt, politisch-zeitkritische, biblisch-symbolische und persönlich-biografische Gedichte und Texte, die das Thema Tod umkreisen und in denen sowohl die Welt von Diana, Apollo, Dionysos und des Faust als auch die Welt von Jehova, Moses, Lazarus, Hiob und Jesus beschworen wird.


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