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Christliche Kriminalgeschichte im Wettbewerb
Die Evangelische Buchhilfe, Vellmar schrieb 1992 zusammen mit dem Claudius Verlag einen Wettbewerb zum Thema "Christliche Kriminalgeschichte" für junge Autoren aus. Der beste evangelische Schreibtischtäter war der damals dreißigjährige Stefan Arndt. Er gewann den bundesweiten Wettbewerb mit seiner Kurzgeschichte "Auf den Flügeln der Morgenröte", in der ein Anti-Held in eine fundamentalistisch christliche Jugendgruppe gerät. Bei dem ebenso vergnüglichen wie gruseligen Berg von neunzig eingereichten Manuskripten habe sich gezeigt, dass für viele Jungautoren "das Christliche nur pathologisch denkbar" sei, so etwa beim Mord aus religiösem Wahn, stellte die Lektorin des Claudius-Verlags, Marion Küstenmacher, bei der Preisverleihung bedauernd fest. Die Hoffnung der Initiatoren, dass im christlichen Krimi auch die heilsamen und tröstlichen Seiten des Christentums zur Sprache kämen, hätten sich leider nicht erfüllt.
In einigen Krimis fällt Pfarrern, Mönchen und Nonnen die Rolle des ermordeten Opfers zu. In anderen Krimis droht die Kirche selbst zum Objekt ruchloser Täter zu werden. Ein Kommando "Jan van Leiden" versucht zum Beispiel in Jürgen Kehrers "Wilsberg und die Wiedertäufer", die Katholische Kirche durch Anschläge zu erpressen. In Jon Durscheis kirchenkritischem Krimi "Mord am Walensee" gerät ein Pater sogar in den Verdacht, einen Mord begangen zu haben. Selbst Donna Leons wackerer Commissario Brunetti verfolgt in "Sanft entschlafen" üble Tricks und teuflische Ränkespiele im kirchlichen Bereich im allgemeinen und in der kirchlichen Altenpflege und "Sterbehilfe" im besonderen und findet sich alsbald in einem Spiegelkabinett aus Irrwitz, Glauben und Scheinheiligkeit wieder, bevölkert unter anderem von einer Nonne, die ihr Habit abgelegt hat, einem Religionslehrer, der alles andere als ein guter Hirte seiner Schäfchen ist und einer fanatisch gläubigen alten Jungfer, die Gott mehr liebt als ihren leiblichen Vater. Kein Wunder, dass Brunettis Voreingenommenheit und Abneigung gegenüber Kirche und Religion durch diese Vorfälle eher zugenommen als abgenommen haben.
Auch in Martina Bicks "Tödliche Prozession" - hier stürzt in einer kleinen polnischen Stadt eine junge Deutsche vom Gerüst der Kirche, die gerade renoviert wird - gibt es ungeklärte Fragen: Woher kam das Geld für die Renovierung der Kirche? Welche Rolle spielt ein attraktiver katholischer Geistlicher?
Nicht alle Romane, in deren Titeln himmlisches Personal oder außerirdische Religionen vorkommen, haben theologischen Tiefgang. Teufel, Engel, Himmel, Hölle werden häufig bemüht. Doch sind sie oftmals nicht mehr als allegorisches, dekoratives oder gar reißerisches Beiwerk wie etwa in Marek Lawrynowicz' "Der Teufel auf dem Kirchturm" und Kirsten Holstens "Du sollst nicht töten".
Die israelische Literaturwissenschaftlerin Batya Gur hat die Titel für ihre Kriminalromane, die jedoch in der Universität oder im Kibbuz spielen, der Bibel entnommen wie: "Du sollst nicht begehren", "Denn am Sabbat sollst du ruhen", "Am Anfang war das Wort" - sicherlich mit gutem Grund, gelten doch Gottes Gebote für alle gesellschaftlichen Bereiche, auch wenn kirchliche Amtsträger hier mit gutem Beispiel vorangehen sollten.
Bei modernen Kriminalromanen hingegen, die Kriminalität ausschließlich als Teil der gesellschaftlichen Struktur darstellen, ist der Umgang mit dem Verbrechen eher soziologisch als metaphysisch bestimmt. Diese Romane hinterlassen nur selten ein Gefühl der Befreiung, weil in ihnen Recht und Gesetz nicht ausreichen,um die Schwachen zu schützen. Das Detektivsein ist in diesen Büchern keine Mission mehr, sondern ein Job. Der Unterschied von Täter und Opfer verwischt sich, ebenso von Schuld und Unschuld, Recht und Unrecht. Ein solcher Krimi leistet nicht mehr die Bewältigung von Schuld und Sühne, sondern fordert den Leser zur Stellungnahme heraus.
Überdies werden nicht in jedem Kirchenkrimi, wie etwa bei Eco und bei Spangenberg, theologische Fragen erörtert, vor allem dann nicht, wenn der jüdische oder christliche Geistliche austauschbar ist mit einem Polizei-Kommissar oder einem gewöhnlichen Detektiv.
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