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Kirchenkrimis vom Pastor und der Pastorin

Der im nordfriesischen Leck lebende Autor Peter Spangenberg ist nicht nur Verfasser von Kriminalgeschichten mit theologischem Flair. Spangenberg ist selber Pfarrer wie Christian Uecker und Ulrich Knellwolf. (Etliche Bücher von Spangenberg und Uecker erschienen übrigens bei der Lutherischen Verlagsgesellschaft in der Reihe "Kirchenkrimis".)

In Christian Ueckers "Wenn der Tod tanzt" wird Pastor Frank Falke zum Kriminalisten gegen seine Absicht, nachdem man in seiner Kirche das Skelett eines Erschlagenen gefunden hatte. In "Wer einmal brennt" muss Pastor Falke in seinem Heimatdorf Brände aufklären und einen Mord noch dazu. In Ueckers drittem Roman "Gut-Besser-Tot" wird der Pastor ausgerechnet auf dem Hamburger Kirchentag in einen neuen Kriminalfall mithineingezogen.

In Spangenbergs Krimi "Der Lachs tanzt Blues" löst Kommissar Lachsien, genannt der Lachs, zusammen mit seinem englischen Freund, der in Epsom Gemeindepfarrer ist, von Schottland aus eine Mordserie in einem Hamburger Altenheim, wobei theologische Reflexionen, mit Rückgriff auf Martin Heidegger und Peter Wust, über das Böse und seine Gewalt über Menschen und über ähnliche Themen nicht zu kurz kommen. Die Morde im Altenheim haben überdies ihre Wurzeln in der Nazizeit wie auch die Unglücksfälle in Ulrich Knellwolfs "Klassentreffen".

Von Ulrich Knellwolf, Pfarrer in Zürich, liegen ebenfalls etliche Krimis vor. Der Erstling "Roma Termini" handelt von Kirche, Macht und Moral, der zweite "Tod in Sils Maria" von Mord, Totschlag und menschlicher Niedertracht und macht deutlich, gemäß der Intention des von Camus und Dürrenmatt beeinflussten Verfassers, dass die Welt in Unordnung ist und wohl auch fürderhin bleibt. Letztlich sei die Kirche nicht in erster Linie dazu da, das Böse zu ersticken, vielmehr sei sie berufen, die Welt post peccatum zu verhandeln, meint Knellwolf und fügt hinzu, dass selbst Göttliches, wenn es uns Sünder erreichen solle, unterhalten müsse. Er selbst habe bei Georges Simenon mehr über die Sünde erfahren als in theologischen Werken und bei Graham Greene mehr über die Kirche gelernt als in jeder Ekklesiologie-Vorlesung. Graham Greene und Friedrich Dürrenmatt hätten ihre Schwäche für Theologisches kriminaliter ausgelebt, während Karl Barth seine Englischkenntnisse aus den Kriminalgeschichten von Dorothee Sayers bezogen habe. Letztlich, so Knellwolfs These, überdauere im Kriminalstoff, einerlei ob er priesterlicher oder weltlicher Phantasie entsprungen sei, ein theologisches Weltbild. Nun ja, bei vielen Krimis heutzutage, in der Literatur und erst recht im Fernsehen, ist davon freilich herzlich wenig zu spüren. Nicht wenige begnügen sich mit der Darstellung von Rabaukentum und "action", sind oberflächlich, banal und ganz ohne Tiefgang. Aber zurück zu den ernsthafteren, von denen hier die Rede ist.

Die religiösen Erörterungen sind bei dem Schweizer Pfarrer Knellwolf wohl nicht so unmittelbar greifbar und werden nicht so direkt angesprochen und ausgesprochen wie bei Spangenberg, sogar die Vokabel Gott kommt kaum vor. Dennoch geht es untergründig auch bei Knellwolf um nichts anderes als um die Verstrickungen und um die Schuldhaftigkeit des Menschen, um sein Angewiesensein auf Gnade und Erlösung. Wer Augen hat, zu sehen, und Ohren hat, zu hören, der merkt sehr schnell, dass Knellwolf seinen Lesern nichts anderes sagen will, als dass sich die Welt nicht einfach in gut und böse einteilen lässt, dass man Schuld grundsätzlich nicht immer vermeiden und nicht alles Leid auf menschliches Versagen und menschliches Unvermögen zurückführen könne. Bei Lesungen sei er immer wieder überrascht, bekannte Knellwolf in einem Spiegel-Gespräch, wie schnell die Diskussion jeweils zu theologischen Fragen vorstößt - gerade bei Leuten, die nie daran dächten, in einen Gottesdienst zu gehen.

Glaube und Religion sind vielleicht doch nicht ganz aus den Köpfen der Menschen verschwunden, wie bei oberflächlicher Betrachtung die Kirchenaustrittszahlen suggerieren. So viel steht freilich fest: Wenn Geistliche plötzlich zu Protagonisten im Kriminalfall werden oder sich als Krimi-Schriftsteller entpuppen,dann bedeutet dies zweifellos eine Bereicherung des Kriminalromans um Themen, die selbst jene brennend interessieren, die mit den offiziellen Kirchen nichts mehr im Sinn haben. Heute scheint erst recht zu gelten,was der Literaturkritiker Willy Haas schon 1929 beobachtet hat, dass sich das Theologische in unserer Welt nicht mehr offen äußert. In einem gewissen Sinn wird so mancher Kriminalroman zum Ersatz für den fehlenden religiösen Glauben, obwohl die meisten Leser, die Krimis in die Hand nehmen, von diesen Büchern zunächst wohl kaum Antworten auf religiöse Probleme erwarten.

Keine religiösen Probleme, aber handfeste Missstände im kirchlichen Bereich behandelt dagegen die Dortmunder Theologin Anne- Kathrin Koppetsch in ihrem Roman "Blei für den Oberkirchenrat", den man sowohl als Milieusatire, als Krimi und als Frauenroman lesen kann. Er spielt in Berlin in den Jahren nach der Wende.

Zunächst dreht sich alles um die Frage: wer hat den Oberkirchenrat Otto Rauhbach - er wurde neben einer Parkbank im Berliner Tiergarten mit einer Schusswunde in der Brust tot aufgefunden - umgebracht? Ein abgewiesener Theologe? Immerhin war Rauhbach seit 1996 Ausbildungsreferent der Evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg. Ein brotlos gewordener Vikar, der den Herren der Kirchenleitung zu schwul war? Oder hatte der Mord etwas mit der Stasi zu tun? Rauhbach hatte nämlich zu DDR-Zeiten an der Uni Humboldt unterrichtet. Vielleicht war er selbst ein Stasi-Mann gewesen? Oder lagen die Probleme ganz woanders? Womöglich im privaten Sektor?

Kirsten Kerner, ausgebildete Theologin und Moderatorin beim christlichen Radiosender "Balsam", recherchiert mit seelsorgerlichem Einfühlungsvermögen im Berliner Kirchenklüngel und fördert dabei haarsträubende Dinge zutage. Am Ende gerät sie selbst in Bedrängnis und wird von ihrem Bischof nahezu erpresst.

Nebenbei wird der Leser mit der derzeitigen Situation in der Kirche konfrontiert, etwa mit der Misere, dass für viele Theologen die Kirche nach deren Ausbildung keine Verwendung hat, so dass sie sich nach einem anderen Beruf umsehen müssen, ferner mit den allgemeinen finanziellen Engpässen in der Kirchenkasse, mit Macht- und Amtsmissbrauch sowie mit der Vorherrschaft "mordsmäßiger" Konkurrenz statt Nächstenliebe. Überdies geht es in der kirchlichen Branche zu wie in der übrigen Gesellschaft. Da wird getrunken, gekifft und einiges andere mehr. Selbst in christlichen Familien im allgemeinen und in Pastorenfamilien im besonderen, so erfährt der erstaunte Laie, ist manches faul. Sogar Kindesmissbrauch durch hohe Amtsträger kommt vor. Doch was im katholischen Raum passiert, warum sollte es nicht auch im evangelischen Sektor möglich sein?

Die Autorin, die in Berlin studiert und dort nebenher als freiberufliche Journalistin gearbeitet hat, hat sich zweifellos in ihrem Erstling manches von der Seele geschrieben: ihre Berliner Erfahrungen und sicherlich auch ihren Unmut über unchristliche Zustände in der christlichen Kirche. Sie bedient sich dabei einer schnoddrige Sprache und trägt mitunter etwas dick auf. Nicht von ungefähr erinnert ihre Darstellungsweise an die Schreibe von Pieke Biermann.

Wer aber war schließlich der Mörder oder die Mörderin? Ausnahmsweise sei es hier verraten. Es war, sage und schreibe, eine Pfarrerin, und das Schlimme ist, sie hatte allen Grund für ihre mörderische Tat. Wir können es ihr noch nicht einmal übelnehmen.


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